I. Verfassungsurkunde v. 31. Januar 1850. Art. 111. 345
eingeleiteten Untersuchungen die Vollstreckung des Urtheils ausgesetzt, bis die Sus-
pension vom Staatsministerium genehmigt ist.
8 11.
Die Kriegsgerichte bestehen aus fünf Mitgliedern, unter denen zwei von
dem Vorstande des Civilgerichtes des Ortes zu bezeichnende richterliche Civilbeamte,
und drei von dem Militärbefehlshaber, welcher am Orte den Befehl führt, zu er-
nennende Offiziere sein müssen. Die Offiziere sollen mindestens Hauptmannsrang
haben; fehlt es an Offizieren dieses höheren Ranges, so ist die Zahl aus Offizieren
des nächsten Grades zu ergänzen.
Sofern in einer vom Feinde eingeschlossenen Festung die erforderliche Zahl
von richterlichen Civilbeamten nicht vorhanden ist, soll dieselbe von dem komman-
direnden Militärbefehlshaber aus den Mitgliedern der Gemeindevertretung ergänzt
werden. Ist kein richterlicher Civilbeamter in der Festung vorhanden, so ist stets
ein Auditeur Civilmitglied des Kriegsgerichts.
Die Zahl der Kriegsgerichte richtet sich, wenn eine ganze Provinz oder ein
Theil derselben in Belagerungszustand erklärt ist, nach dem Bedurfniße und den
Gerichtssprengel eines jeden dieser Gerichte bestimmt in derartigen Fällen der kom-
mandirende General.
12.
Den Vorsitz in den Sitzungen der Kriegsgerichte führt ein richterlicher Beamter.
Von dem Vorsitzenden werden, bevor das Gericht seine Geschäfte beginnt,
die zu Mitgliedern desselben bestimmten Offiziere und eintretenden Falls diejenigen
Civilmitglieder, welche dem Richterstande nicht angehören, dahin vereidigt,
daß sie die Obliegenheiten des ihnen übertragenen Richteramtes mit Gewissen-
haftigkeit und Unparteilichkeit, den Gesetzen gemäß, erfüllen wollen.
Der Militärbefehlshaber, welcher die dem Offizierstande angehörigen Mit-
glieder des Kriegsgerichts ernennt, beauftragt als Berichterstatter einen Auditeur,
oder in dessen Ermangelung einen Offizier. Dem Berichterstatter liegt ob, über die
Anwendung und Handhabung des Gesetzes zu wachen und durch Anträge die Er-
mittelung der Wahrheit zu fördern. Stimmrecht hat derselbe nicht.
Als Gerichtsschreiber wird zur Führung des Protokolls ein von dem Vor-
sitzenden des Kriegsgerichts zu bezeichnender und von ihm zu vereidigender Beamter
der Civilverwaltung zugezogen.
§ 13.
Für das Verfahren vor den Kriegsgerichten gelten folgende Bestimmungen:
1. Das Verfahren ist mündlich und öffentlich; die Oeffentlichkeit kann vom
Kriegsgerichte durch einen öffentlich zu verkündigenden Beschluß ausgeschlossen
werden, wenn es dies aus Gründen des öffentlichen Wohls für angemessen erachtet.
2. Der Beschuldigte kann sich eines Vertheidigers bedienen. — Wählt er keinen
Vertheidiger, so muß ihm ein solcher von Amtswegen von dem Vorsitzenden
des Gerichts bestellt werden, insofern es sich um solche Verbrechen oder Ver-
gehen handelt, bei welchen nach dem allgemeinen Strafrecht eine höhere Strafe,
als Gefängniß bis zu Einem Jahre, eintritt.
3. Der Berichterstatter trägt in Anwesenheit des Beschuldigten die demselben zur
Last gelegte That vor.
Der beschuldigte wird aufgefordert, sich darüber zu erklären, demnächst
wird zur Erhebung der anderweiten Beweismittel geschritten.
Sodann wird dem Berichterstatter zur Aeußerung über die Resultate der
Vernehmungen und die Anwendung des Gesetzes, und zuletzt dem Beschuldigten
und seinem Vertheidiger das Wort gestattet.
Das Urtheil wird bei sofortiger nicht öffentlicher Berathung des Ge-
richts nach Stimmenmehrheit gefaßt und unmittelbar darauf dem Beschuldigten
verkündigt.
4. Das Gericht erkennt auf die gesetzliche Strafe, oder auf Freisprechung, oder
Verweisung an den ordentlichen Richter.
— Der Freigesprochene wird sofort der Haft entlassen. Die Verweisung
an den ordentlichen Richter findet statt, wenn das Kriegsgericht sich für nicht
kompetent erachtet; es erläßt in diesem Falle über die Fortdauer oder Auf-
hebung der Haft im Urtheile zugleich besondere Verfügung.
5. Das Urtheil, welches den Tag der Verhandlung, die Namen der Richter, die
fummarische Erklärung des Beschuldigten über die ihm vorgehaltene Be-