Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

360 II. Ges. über 2c. Bundes= und Staatsangehörigkeit v. 1. Juni 1870. § 11. 12. 
A. Unter den mit der Staatsangehörigkeit verbundenen Rechten und Pflichten sind nur 
diejenigen begriffen, welche eben den staatsrechtlichen Begriff des Indigenats ausmachen 
und deßhalb jedem Staatsangehörigen ohne Unterschied des Alters, Geschlechts rc. zu- 
stehen, bezw. obliegen. Dagegen beginnen diejenigen staatsrechtlichen Rechte und Pflichten, 
welche auch für den als Inländer Geborenen erst unter gewissen Voraussetzungen ent- 
stehen, wie z. B. das Recht zur Theilnahme an politischen Wahlen, selbstverständlich 
auch für den Naturalisirten erst dann, wenn bei ihm diese Voraussetzungen eintreten. 
B. Wie schon in Anmerk. A. zu § 8, oben S. 357, bemerkt, begründet die Urkunde die mit 
der Staatsangehörigkeit verbundenen Rechte und Pflichten auch dann, wenn sie in der 
irrigen Annahme der Erfüllung aller Erfordernisse ertheilt, sogar dann, wenn die er- 
theilende Behörde von dem neuen Staatsangehörigen in bewußter Weise getäuscht ist. 
Den hiergegen erhobenen Bedenken ist allerdings, wie v. Rönne (Bd. II. § 131 S. 22 
Anm. 2b) mit Recht bemerkt, de lege ferenda eine Berechtigung nicht unbedingt 
zu versagen. 
Eben daselbst ist bereits erörtert, daß nur eine unbedingte und unbeschränkte 
Aufnahme und Naturalisation zulässig, jede Bedingung und Beschränkung wirkungslos 
ist. Wenn der neue Staatsbürger die Bedingung nicht erfüllt, die Beschränkung nicht 
beachtet, so fehlt der Staatsbehörde jedes rechtliche Mittel, seine Renitenz zu brechen. 
Somit ist die höhere Verwaltungsbehörde nicht mehr befugt, auf Grund der Kabinets- 
ordre vom 10. Januar 1848, betreffend das Verfahren bei der Aufnahme in den dies- 
seitigen Unterthanenverband (Ges.-Samml. S. 25) die Verleihung der Staatsangehörigkeit 
an eine Beschränkung der Freizügigkeit zu knüpfen. Auch steht diese Kabinetsordre mit 
den reichsgesetzlichen Bestimmungen über die Freizügigkeit in Widerspruch. Dies ist 
durch zwei Reskripte des Ministers des Innern vom 19. Juni 1868 und 15. November 
1873 Verwaltungs-Minist.B, S. 197 und 336) ausgesprochen und in der Praxis an- 
erkannt. Arndt (in der Anmerk. zu diesem §, S. 191) hält es für statthaft, die Er- 
theilung der Naturalisation an Bedingungen zu knüpfen, weil die Bundesstaaten über- 
haupt nicht verpflichtet seien, sie zu ertheilen. Der Grund ist ganz richtig, auch braucht 
die Urkunde nicht eher ausgehändigt zu werden, als bis alle Bedingungen erfüllt sind, aber 
keineswegs ist es zulässig, durch Setzung von Bedingungen und Beschränkungen die 
durch Aushändigung der Urkunde bereits begründeten Rechte und Pflichten zu mindern 
oder zu suspendiren oder zu beschränken oder gar, in direktem Widerspruch zu § 13, 
die Staatsangehörigkeit an eine Resolutivbedingung oder einen dies ad quem zu binden. 
Nach einem Reskript des Ministers des Innern vom 15. April 1843 (Verwaltungs- 
Minist.-Bl. S. 187) soll die Urkunde in der Regel erst dann verabfolgt werden, wenn 
der Extrahent wirklich eingewandert ist. Wünscht der Letztere über die Zulässigkeit 
seiner Rezeption vorher unterrichtet zu werden, so kann ihm, wenn den Erfordernissen 
vollständig genügt ist, oder mit Vorbehalt der etwa noch zu führenden Nachweise, eine 
vorläufige Bescheinigung ertheilt werden, daß der demnächstigen Rezeption ein Hinderniß 
nicht entgegenstehe. 
C. 
§ 11 
8 
Die Verleihung der Staatsangehörigkeit erstreckt sich, insofern 
nicht dabei eine Ausnahme gemacht wird, zugleich auf die Ehefrau 
und die noch unter väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kinder. 
A. Ob eine Ehefrau für sich, auch ohne den Ehemann, die Staatsangehörigkeit erwerben 
kann, hängt lediglich davon ab, ob sie nach den Gesetzen ihrer bisherigen Heimath selbst- 
ständig, ohne Genehmigung ihres Ehemannes, ihre Staatsangehörigkeit ändern kann. 
B. Für die Frage, ob minderjährig oder großjährig, ist das Recht des Heimathsstaates 
entscheidend. Im ganzen Umfange des Deutschen Reichs tritt nach dem Gesetz, betreffend 
das Alter der Großjährigkeit, vom 17. Februar 1875 (Reichs-Gesetzbl. S. 71) die Groß- 
jährigkeit mit dem vollendeten einundzwanzigsten Lebensiahre ein. 
C. Die Verleihung erstreckt sich nicht von selbst auf die großjährigen, die aus der väter- 
lichen Gewalt entlassenen, die ehelichen Kinder einer Wittwe und die unehelichen Kinder. 
12. 
Der Wohnsitz innerhalb eines Bundesstaates bgründet für sich 
allein die Staatsangehörigkeit nicht.
	        
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