Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

366 II. Ges. über ꝛc. Bundes- u. Staatsangehörigkeit v. 1. Juni 1870. 8 18. 19. 
lassung von Minorennen ist die Genehmigung des Vaters oder des Vormundes und, 
wenn es sich um bevormundete Personen handelt, nach § 42 Nr. 1 der Vormund- 
schaftsordnung vom 5. Juli 1875 auch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts 
erforderlich. 
B. Der Kaiser ist befugt, für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegsgefahr durch Kaiserliche 
Verordnung noch andere Verweigerungsgründe aufzustellen. Wer im Widerspruch mit 
dieser besonderen Anordnung auswandert, wird nach Strafgesetzb. § 140 Nr. 3 mit 
Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend 
Mark erkannt werden kann. 
C. Gegen den die Entlassung verweigernden Bescheid der höheren Verwaltungsbehörde ist 
die Klage bei dem Oberverwaltungsgericht — Anm. B. Abs. 2 zu §6, oben S. 354 — 
nur in Friedenszeiten statthaft. 
8 18. 
Die Entlassungsurkunde bewirkt mit dem Zeitpunkte der Aus- 
händigung den Verlust der Staatsangehörigkeit. 
Die Entlassung wird unwirksam, wenn der Entlassene nicht 
binnen sechs Monaten vom Tage der Aushändigung der Entlassungs- 
urkunde an seinen Wohnsitz außerhalb des Bundesgebietes verlegt 
oder die Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundesstaate erwirbt. 
A. Der Abs. 2 soll fingirte Auswanderungen abschneiden, welche lediglich den Zweck haben, 
sich den Verpflichtungen gegen das bisherige Vaterland, namentlich der Erfüllung der 
Militärpflicht, zu entziehen. Er setzt voraus, daß der Entlassene nicht bereits eine 
andere Deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (ovgl. Anmerk. A. zu § 15, oben S. 362). 
Es genügt nicht, daß der Entlassene die Staatsangehörigkeit im Auslande erwirbt oder 
eine Reise nach dort unternimmt, sondern er muß seinen Wohnsitz außerhalb Deutsch- 
lands verlegen, also thatsächlich auswandern. Eine Rückverlegung des Wohnsitzes inner- 
halb der sechs Monate läßt die Auswanderung als eine fingirte erscheinen. Die sechs- 
monatlich Frist beginnt mit dem Tage der Aushändigung der Entlassungsurkunde, ist 
von Datum zu Datum zu berechnen und läuft, wenn im sechsten Monat der dem An- 
fangstage entsprechende Tag fehlt, mit dem letzten Monatstage ab. Durch den unbe- 
nutzten Ablauf der Frist wird die Entlassung ohne Weiteres unwirksam, tritt die alte 
Staatsangehörigkeit sogleich wieder in's Leben. Nach allgemeiner Ansicht ist die Ent- 
lassung in diesem Falle als von Anfang an unwirksam zu behandeln, also Unwirksamkeit 
nicht ex nunc, sondern ex tunc. Diese Ansicht, nach welcher für die sechs Monate die 
Steuern nachzubezahlen wären, läßt sich aus dem Gesetze nicht begründen, doch spricht 
für sie die Erwägung, daß nur nach ihr das Aufleben der früheren Staatsangehörigkeit 
ohne Aufnahme= oder Naturalisationsakt vel quasi konstruirbar ist. Vorausgesetzt ist 
natürlich, daß der Entlassene nicht bereits eine andere Staatsangehörigkeit besitzt. 
B. Wenn Wehrpflichtige, welche die Erlaubniß zur Auswanderung erhalten haben, nicht 
auswandern, so hat die Ortspolizeibehörde davon dem nächsten Landwehrbezirkskommando 
Mittheilung zu machen. 
19. 
Die Entlassung erstreckt sich, insofern nicht dabei eine Ausnahme 
gemacht wird, zugleich auf die Ehefrau und die noch unter väterlicher 
Gewalt stehenden minderjährigen Kinder. 
A. Die Entlassung erstreckt sich nicht auf die großjährigen, die aus der väterlichen Gewalt 
entlassenen, die ehelichen Kinder einer Wittwe und die unehelichen Kinder. Eine Aus- 
nahme muß stets gemacht werden bezüglich derjenigen Söhne, welche das siebenzehnte 
Lebensjahr vollendet haben, sofern für A6• nicht das in § 15 Abs. 2 Nr. 1 vorgeschriebene 
Zeugniß beigebracht wird. 
B. Wird die Entlassung gemäß § 18 unwirksam, so erstreckt sich ihre Unwirksamkeit auch 
die hier genannten Angehörigen. Siehe auch § 11, oben S. 360.
	        
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