III. Verordn. über ꝛc. des Versamml. u. Vereinigungsrechtes v. I1. März 1850. 8§ 1. 381
gericht 9. Juli und 30. Oktober 1885 und 8. Dezember 1890, Johow Jahrbuch Bd. 6
S. 243, 246, Bd. 11 S. 304).
Uebrigens ist es auch nicht die Organisation, durch welche sich die einheitlich ver-
bundene Versammlung von der formlosen und unverbundenen Menschenmenge unter-
scheidet. Vielmehr ist der Begriff einer Versammlung, auch im Sinne dieses Gesetzes,
dahin zu bestimmen, daß eine nicht zu klein an Zahl bemessene und äußerlich irgendwie
vereinigte Personenmehrheit örtlich zusammentritt, daß zu diesem hierdurch bedingten
äußeren Bande eine auf gemeinsamem Wollen beruhende innere Vereinigung hinzutritt,
und daß diese Personenmehrheit es auf ein zeitweiliges, für einen bestimmten Zweck be-
rechnetes Zusammensein abgesehen hat. Dabei ist die Natur des Zweckes an sich gleich-
giltig, an sich jeder Zweck geeignet, das Einigungsband und den inneren Mittelpunkt
für eine Versammlung abzugeben, rein gesellige Bestrebungen ebensowohl wie solche,
welche mit der sogenannten Geselligkeit nichts zu thun haben. Ist der Zweck der, öffent-
liche Angelegenheiten zu erörtern oder zu berathen, so finden auf die Versammlung die
§8 1, 12 dieses Gesetzes Anwendung Meichsgericht 22. September 1890, Entscheidungen
in Strafsachen Bd. 21 S. 73; Kammergericht 5. Oktober 1891 und 16. Februar 1893,
Johow Jahrbuch Bd. 11 S. 235, Bd. 13 S. 362).
4. Für öffentliche Angelegenheiten sind alle dieienigen zu erachten, welche die Interessen
von Staat, Kirche und Gesellschaft, also wenn auch möglicher Weise zugleich mit, doch
nicht ausschließlich Privatinteressen berühren (Obertribunal 6. Oktober 1859, Golt-
dammer Archiv Bd. 8 S. 101 und 26. September 1877, Oppenhoff Rechtsprechung
Bd. 18 S. 593; Reichsgericht 25. Januar 1393, Entscheidungen in Strafsachen Bd. 22
S. 337; Kammergericht 10. Oktober 1881, 16. April und 12. Januar 1891, Johow
Jahrbuch Bd. 3 S. 304, Bd. 11 S. 307, 309). Von der Rechtsprechung sind u. a.
folgende Angelegenheiten als öffentliche anerkannt:
1. diejenigen, welche eine vom Staat anerkannte, in ihrer Stellung gesetzlich geregelte
Körperschaft, z. B. eine Gemeinde, und deren Rechtsverhältnisse betreffen (Ober-
tribunal 8. Mai 1867, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 8 S. 290);
2. religiöse und kirchliche Angelegenheiten, somit auch — sofern nicht die Ausnahme
des § 2 Abs. 2 zutrifft — die Religionsausübung (Obertribunal 15. September 1876,
Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 17 S. 565). Andererseits ist eine bloß eine ein-
zelne Kirchengemeinde interessirende Angelegenheit, z. B. Bau einer Filialkirche, nicht
mit Nothwendigkeit als eine öffentliche zu betrachten (Obertribunal 29. November
1854, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 8 S. 291);
3. die sozialen Interessen, z. B. die sittliche und materielle Hebung des Arbeiterstandes
als solchen (Obertribunal 28. November 1878, Goltdammer Archiv Band 26
S. 579); die Hebung der fachlichen und sozialen Stellung von Gewerbsgenossen,
sowie insbesondere die Agitation gegen das Innungswesen (Kammergericht 23. Sep-
tember 1889, Johow Jahrbuch Bd. 10 S. 246); die auf Lösung der sozialen
Frage, insbesondere auf angemessene Regelung der Arbeitszeit, der Akkordarbeit und
der Frauenarbeit gerichteten Bestrebungen (Kammergericht 16. April 1891, ebenda
Bd. 11 S. 307); allgemeine Fachangelegenheiten (Kammergericht 12. Januar 1891,
ebenda S. 309); die allgemeine Maifeier als ein Protest gegen die Fortführung der
gegenwärtigen Wirthschaftszustände, die Agitation zur Heranziehung der Arbeits-
genossen anderer Berufe und in denjenigen Gegenden, Industrien und Berufen, deren
Arbeiter noch nicht organisirt sind, die Anknüpfung und Unterhaltung internationaler
Beziehungen (Kammergericht 12. Januar 1893, ebd. Bd. 13 S. 364); die Wahrun
der Interessen der Landwirthe, dagegen nicht ein Verein, dessen Endzweck lediglic
dahin geht, das materielle Wohl seiner Mitglieder dadurch zu fördern, daß er den-
selben Gelegenheit zur Belehrung in der Landwirthschaft, insbesondere darüber bietet,
auf welche Weise jie ihren Grund und Boden unter Benutzung der Erfahrungen
der Neuzeit möglichst ertragsfähig machen können (Kammergericht 10. Oktober 1881,
ebenda Be. 3 S. 304);
4. politische Angelegenheiten, wie die Veranstaltung einer über die Feier eines geschicht-
lichen Ereignisses hinausgehenden politischen Kundgebung, z. B. die Feier des hundert-
jährigen Gedenktages der polnischen Konstitution vom 3. Mai 1791 (Kammergericht
28. März 1892, Johow Jahrbuch Bd. 13 S. 366); Besprechungen über die Ab-
haltung einer anderen Wahlversammlung (Kammergericht 13. April 1891, ebenda
d. 11 S. 303); Berathungen über die Maßnahmen, um unentschlossene oder säumige
Wähler zur Wahl eines Abgeordneten einer bestimmten politischen Partei zu ver-
anlassen und überhaupt eine gesetzlich zulässige Einwirkung auf die Wahl einer be-