Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

III. Verordn, über 2c. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. Juni 1850. § 2. 385 
26. Juni 1880, Entscheidungen Bd. 6 S. 371). Dagegen berechtigt die bloße Möglichkeit, 
daß die Versammlung Störungen der öffentlichen Ordnung zur Folge haben kann, 
keineswegs zu einem Verbot von Vorn herein, wie auch, was schon mehrfach hervorge- 
hoben ist, unlautere Motive des Unternehmers irrelevant sind, wenn kein Bedenken da- 
gegen obwaltet, daß die Versammlung selbst unanstößig verlaufen werde (Oberver- 
waltungsgericht 11. Oktober 1884 und 10. März 18386, Entscheidungen Bd. 11 S. 382 
und Bd. 13 S. 102). Selbstverständlich ist, Mangels eines Dispenses, die in einem 
Wirthslokale stattfindende Versammlung bezüglich ihrer Zeitdauer an die Innehaltung 
der sog. Polizeistunde gebunden (Obertribunal 29. Januar 1874, Oppenhoff Recht- 
sprechung Bd. 15 S. 43). 
F. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des § 1 werden nach § 12 bestraft. 
§ 2. 
Die Vorsteher von Vereinen, welche eine Einwirkung auf öffent- 
liche Angelegenheiten bezwecken, sind verpflichtet, Statuten des Vereins 
und das Verzeichniß der Mitglieder binnen drei Tagen nach Stiftung 
des Vereins, und jede Aenderung der Statuten oder der Vereins- 
mitglieder binnen drei Tagen, nachdem sie eingetreten ist, der Orts- 
polizeibehörde zur Kenntnißnahme einzureichen, derselben auch auf 
Erfordern jede darauf bezügliche Auskunft zu ertheilen. 
Die Ortspolizeibehörde hat über die erfolgte Einreichung der 
Statuten und der Verzeichnisse, oder der Abänderungen derselben, so- 
fort eine Bescheinigung zu ertheilen. 
Die Bestimmungen dieses und des vorhergehenden Paragraphen 
beziehen sich nicht auf kirchliche und religiöse Vereine und deren Ver- 
sammlungen, wenn diese Vereine Korporationsrechte haben. 
A. Verein im Sinne des § 2 ist jede Vereinigung mehrerer Personen unter einer Leitung 
für längere oder kürzere Zeit zur Verfolgung bestimmter gemeinschaftlicher Zwecke 
(Obertribunal 30. April 1869 und 7. Oktober 1873, Oppenhoff Rechtsprechung 
Bd. 10 S. 279 und Bd. 14 S. 607). Von der Versammlung des § 1 unterscheidet sich 
der Verein wesentlich durch die Stetigkeit seiner Fortdauer auf Grund eines Statuts 
oder Uebereinkommens, welches die demselben ursprünglich oder nachträglich beitretenden 
Mitglieder verbindet (Obertribunal 9. Juni 1870, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 11 
S. 346). Es gehört aber nicht zu den wesentlichen Voraussetzungen, daß sämmtliche in 
den Verein eingetretene Personen von der näheren Organisation, den speziellen Zielen, der 
Art und Weise wie und den Mitteln, mit welchen er seine Zwecke verfolgen will, ein- 
ehende Kenntniß haben (Obertribunal 17. Juni 1875, Oppenhoff Rechtsprechung 
d. 16 S. 452). Auch ist es nicht erforderlich, daß die Mitglieder in irgend welcher 
sonstigen Verbindung unter einander stehen, wofern nur eine gemeinsame Leitung existirt, 
welcher ja die Vertretung aller Vereinsinteressen und die Entwicklung der Vereins- 
thätigkeit ausschließlich überlassen sein kann. Denn für den Begriff des Vereins kommt es 
nur auf das Bestehen einer Organisation zur Verwirklichung des Vereinszweckes unter 
einer äußeren Leitung an, nicht aber auf eine größere oder geringere Intensität dieser 
Gliederung (Obertribunal 17. Juni 1875 und 5. April 1876, Oppenhoff Rechtsprechung 
Bd. 16 S. 452 und Bd. 17 S. 250; 23. Februar 1875, Goltdammer Alrchiv Bd. 23 
S. 232). Selbst die Nothwendigkeit irgend einer Organisation, mag sie auch thatsächlich 
regelmäßig vorliegen, dürfte sich, im Widerspruche allerdings mit der Spruchpraxis, 
nicht als wesentliches Erforderniß des Vereinsbegriffes ergeben. Ferner soll zwar jeder 
Verein, welcher eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezweckt, nach den 
§§ 2, 13 dieses Gesetzes der Ortspolizeibehörde seine Statuten einreichen, er soll also 
Statuten haben und zwar, weil sie eben einzureichen sind, räumlich fixirte, d. h. schriftlich 
abgefaßte Statuten, aber die Existenz des Vereins ist nicht von dem Vorhandensein 
von Statuten und also auch die Existenz eines besonderen Vereins nicht durch den 
Schwarp, Preußische Verfassungsurkunde. 25
	        
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