386 III. Verordn. über ꝛc. des Versamml.- u. Vereinigungsrechtes v. 11. Märʒ 1850. 82.
Nachweis besonderer Statuten bedingt (Obertribunal 22. Februar 1877, Oppenhoff
Rechtsprechung Bd. 18 S. 458). Der Verpflichtung, die Statuten in der bestimmten
Frist zur Kenntniß der Ortspolizeibehörde zu bringen, wird somit der Vorsteher des
Vereins nicht durch den Nachweis ledig, daß der Verein gar keine Statuten habe.
Uebrigens können die Statuten bei der Frage nach Existenz, Zweck und Organisation
des Vereins nicht ausschließlich maßgebend sein. Vielmehr müssen die wirklichen Zwecke
von der Behörde selbstständig unter Berücksichtigung aller zu ihrer Kenntniß gelangten
Thatsachen, namentlich der zu konstatirenden Vereinsthätigkeit, beurtheilt und festgestellt
werden (Obertribunal 27. März und 7. Oktober 1873, Oppenhoff Rechtsprechung
Bd. 14 S. 225 und 607; Oberverwaltungsgericht 1. Oktober 1890, Entscheidungen
Bd. 20 S. 432). Bei dieser Prüfung kann die Thätigkeit der Organe des Vereins,
insbesondere also der Vorstandsmitglieder, auch dann von Erheblichkeit sein, wenn sie
dem statutenmäßig ausgesprochenen Zwecke nicht entispricht (Obertribunal 8. April 1875,
Goltdammer Archiv Bd. 23 S. 470).
Ein Gerichtshof hat einmal die Ansicht aufgestellt, daß Vereinigungen als Vereine
im Sinne des Gesetzes dann nicht gelten können, wenn sie auf Grund von Beschlüssen
einer Versammlung, die eine Vereinsversammlung nicht darstellt, zur Ausführung von
Beschlüssen der Versammlung gewählt sind und zu diesem Zwecke auf eine längere Dauer
zusammentreten. Für eine solche Einschränkung des Begriffes Verein fehlt es aber an
dem gesetzlichen Anhalt. Dieselbe steht auch in Widerspruch zu dem Sinne, den man
gewöhnlich dem Worte beilegt, und entbehrt jedes inneren Grundes. Die im Vereine
verbundenen Personen verfolgen zwar einen gemeinschaftlichen Zweck; unerheblich ist
aber offenbar, wie sie dazu gekommen sind, sich den Zweck zu setzen, insbesondere ob
sie ein von Anderen als vanschenswerth bezeichnetes Ziel ins Auge gefaßt und sich an-
eeignet oder sich ein selbstgeschaffenes Ziel gesetzt haben. Ebensowenig kann für die
Frahze ob mehrere Personen einen Verein gebildet haben, der Umstand entscheidend sein,
daß die Personen durch einen Beschluß einer Versammlung und einen Wahlakt zur
Vereinigung bestimmt worden sind. Denn der Beschluß und die Wahl der Versammlung
bilden nicht die Verbindung, sondern enthalten nur eine Aufforderung zur Verbindung,
welche dadurch, daß die Aufgeforderten Folge leisten, ins Leben tritt (Reichsgericht
2. November 1888, Entscheidungen in Strafsachen Bd. 18 S. 169).
B. Der 82 leidet Anwendung nur auf solche Vereine, welche eine Einwirkung auf öffentliche
Angelegenheiten bezwecken. Diese Einwirkung kann auch ohne Versammlungen, z. B.
durch schriftliche Mittheilungen erfolgen, deckt sich also keineswegs mit der Erörterung
und Berathung öffentlicher Angelegenheiten, welche nur in Versammlungen zu geschehen
pflegen (Obertribunal 28. November 1878, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 19 . 552.
Der Begriff der öffentlichen Angelegenheiten ist derselbe, wie bei den Versammlungen
des § 1 (Anmerk. B., oben S. 381). Der 82 setzt nicht voraus, daß die von dem
Vereine bezweckte Einwirkung auf die öffentlichen Angelegenheiten eine gesetzwidrige
sei (Obertribunal 8. April 1875, Goltdammer Archiv Bd. 23 S. 470). Für die An-
wendbarkeit des § 2 kommt es auch nicht darauf an, ob die öffentlichen Angelegenheiten,
auf welche der Verein seine Einwirkung zu üben beabsichtigt, zugleich das Privatinteresse
der Vereinsmitglieder berühren oder nicht. Es ist auch nicht erforderlich, daß der Ver-
ein fortgesetzt und ausschließlich öffentliche Angelegenheiten als Objekt seiner Thätigkeit
betrachtet. Alles, was er als solcher thut, muß als von ihm bezweckt angesehen werden,
und wenn er absichtlich und bewußt auf öffentliche Angelegenheiten einwirkt, so bezweckt
er eben solche Einwirkung (Obertribunal 26. September 1877, Oppenhoff Recht-
sprechung Bd. 18 S. 593; Reichsgericht 18. Februar 1887, Entscheidungen in Straf-
sachen Bd. 15 S. 300; Kammergericht 23. September 1889 und 16. Februar 1891,
Johow Jahrbuch Bd. 10 S. 246 und Bd. 11 S. 308). Ob dies der Fall ist, darüber
hat zunächst die Polizeibehörde zu befinden, deren Auffassung natürlich für die Ge-
richte nicht maßgebend ist. Dabei fragt es sich, ob die Polizeibehörde, unabhängig von
der nach § 13 des Gesetzes eintretenden Bestrafung, den Ungehorsam gegen § 2 durch
die ihr nach § 132 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli
1883 (Ges.-Samml. S. 195) zustehenden Zwangsmittel brechen kann. Diese Frage ist
nicht bloß bezüglich der Anwendung des unmittelbaren Zwanges — gewaltsame Ab-
holung der Statuten —, sondern auch bezüglich der sog. Exekutivstrafen — Geldstrafe
mit eventueller Umwandlung in Haft — zu bejahen. Denn ganz abgesehen davon, ob
wegen des in der Verletzung des § 2 liegenden Omissivdelikts eine und dieselbe
Person wiederholt strafrechtlich verfolgt, ob also das Aufbäumen gegen das Gesetz
strafrechtlich gebrochen werden kann, will der 8 2 der Polizeibehörde die Möglichkeit