Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

III. Verordn, über 2c. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. § 2. 387 
einer genauen Kenntniß des Vereins sichern, was natürlich durch die strafrechtliche 
Ahndung nicht erreicht wird. Siehe Anmerk. C. zu Art. 5 der Verfassungsurkunde, 
oben S. 58. 
C. Das Vereinsgesetz erkennt Vereine im Sinne dieses Paragraphen nur in lokaler Be- 
grenzung an und unterwirft eine jede Verbindung einer Mehrzahl von Personen inner- 
halb der Grenzen eines gewissen Poli eibehirkes zur Einwirkung auf öffentliche Ange- 
legenheiten unter einer für längere oder kürzere Zeit berechneten Leitung der in dem 
Gesetze geordneten Kontrole der Ortspolizeibehörde, ohne Rücksicht darauf, welche Gestalt 
die Statuten der Vereinsorganisation gegeben haben mögen. Die Vorschriften der §8 2 
und 13 finden hiernach keine Anwendung, solange die einem bestimmten Polizeibezirke 
angehörenden Personen, welche einem über einen weiteren Raum sich ausdehnenden 
Vereine beigetreten sind, nicht auch innerhalb jenes Bezirks eine besondere Ver- 
einsthätigkeit entwickeln (Obertribunal 16. April 1874, Oppenhoff Rechtsprechung 
Bd. 15 S. 230). Wer also in einem engeren Kreise Anmeldungen zu einem auswärts 
bestehenden Vereine entgegennimmt und die Aufnahme der sich Meldenden in jenen 
Verein vermittelt, stiftet dadurch allein noch nicht einen neuen besonderen Verein, so- 
lange die bei ihm gemeldeten Personen nicht auch thatsächlich mit ihm eine in irgend 
welcher Abgeschlossenheit unter sich bestehende Vereinigung gebildet haben (Obertribunal 
17. November 1874, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 15 S. 790; anders bezüglich der 
lokalen Zahlstellen das Kammergericht, siehe unten). Auch die Thatsache, daß Mitglieder 
eines auswärts bestehenden größeren Vereins an einem anderen Orte eine sog. Wander- 
versammlung gehalten und dazu Nichtmitgliedern Zutritt gestattet haben, begründet für 
sich allein nicht mit Nothwendigkeit die Annahme, daß dieselben einen selbstständigen 
Lokalverein gebildet hatten, solange nicht nachweislich die Vereinigung der der brtlichen 
Begrenzung angehörenden Mitglieder und ein Zusammenwirken in dieser Vereinigung 
bezweckt war (Obertribnnal 17. November 1874, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 15 
S. 786). Dagegen liegt allerdings ein Verein vor, wenn die vom Sitze eines be- 
stimmten Vereins entfernt wohnenden Mitglieder desselben sich als solche an ihrem 
Wohnorte zur Erörterung politischer Gegenstände (siehe § 8) versammeln (Obertribunal 
30. April 1869, Goltdammer Archiv Bd. 17 S. 522). Ebenso ist eine Vereinigung 
Mehrerer, welche unter Leitung eines Geschäftsführers in örtlichen Versammlungen po- 
litische Gegenstände zu erörtern bezweckt, ein selbstständiger Verein und verliert diese 
Eigenschaft auch nicht dadurch, daß sie sich im Uebrigen als Nebenverein eines ander- 
weitigen Hauptvereins darstellt (Oberappellationsgericht Berlin 27. Januar 1869, 
Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 10 S. 56). Bei der Beantwortung der Frage, ob ein 
Verein im Sinne des § 2 vorliegt, darf keine Selbstständigkeit der Vereinsthätigkeit in 
dem Umfange gefordert werden, daß die lokale Vereinigung in einzelnen Angelegenheiten 
aus eigener Machtvollkommenheit, ohne dem Bestätigungs= oder Abänderungsrecht 
des Zentralverbandes zu unterliegen, Beschlüsse fassen oder Maßregeln treffen darf, 
vielmehr genügt es, wenn die lokale Vereinigung in einer Weise thätig wird, die nicht 
mit den Aeußerungen des Zentralverbandes zusammenfällt. Somit n lokale Zahl- 
stellen eines über verschiedene Orte sich erstreckenden Vereines, in welchen Mitglieder- 
beiträge eingezogen werden und die Anmeldung neuer Mitglieder entgegengenommen 
wird, besondere Vereine im Sinne des § 2 (Kammergericht 3. Oktober 1892, Blätter 
für Rechtsanwendung 1893 S. 11, auch 12. Oktober 1891, Johow Nahrbuch Bd. 12 
S. 237). Dem Gesetze gegenüber kommt es auch nicht darauf an, ob die Vereins- 
saluten solche lokale Vereinigungen irgend einer Art überhaupt anerkennen, ob sie die- 
elben Zweig- oder Lokalvereine, Mitgliedschaften oder wie sonst nennen, welche Bezeich- 
nungen und Befugnisse sie den an der Spitze solcher Vereinigungen stehenden Personen 
geben. Was das Bewußtsein der Mitglieder angeht, so genügt es, daß dieselben 
wissentlich in das thatsächliche Verhältniß zu einander getreten sind, welches die charakte- 
ristischen Merkmale eines besonderen Vereins an sich trägt, mögen sie sich auch der Mit- 
gliedschaft eines besonderen Vereins im geseblichen Sinne nicht bewußt gewesen sein, 
vielmehr bei ihren die Merkmale einer besonderen Vereinsbildung an sich tragenden 
Handlungen geglaubt haben, nur als Mitglieder des Gesammtvereins zu handeln (Ober- 
tribunal 9. Juni 1870 und 22. Februar 1877, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 11 
S. 346 und Bd. 18 S. 158). Schließlich bleibt es eine Thatfrage, ob ein besonderer 
Verein oder nur die Mitgliedschaft eines Gesammtvereins vorliegt. Unter Umständen 
kann schon in dem selbstständigen Auftreten eines einzelnen Mitgliedes eine Bethätigung 
der Selbstständigkeit des Vereins gefunden werden (Obertribunal 11. November 1875, 
Goltdammer Archiv Bd. 23 S. 628), und ein anderes Mal die Veranstaltung einer 
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