Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

390 III. Verordn. über rc. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. 8§ 3. 
F. Vereine, welche keine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezwecken, unterliegen 
diesem Gesetze nicht. Die Polizeibehörde ist aber befugt, ihre Statuten und Mitglieder- 
verzeichnisse einzusehen, um die öffentliche Ordnung überwachen zu können. Ebenso darf 
sie zur Erfüllung ihrer ordnungs- und sittenpolizeilichen Aufgaben die öffentlichen Lust- 
barkeiten solcher Vereine überwachen. Dagegen ist die polizeiliche Ueberwachung der 
geselligen Zusammenkünfte sogen. geschlossener Gesellschaften, insbesondere das Eindringen 
von Polizeibeamten in die von ihnen benutzten Räume bloß auf Grund dieses Gesetzes 
nicht gestattet, da solche Zusammenkünfte in polizeilicher Beziehung den Lebensformen, 
welche den Gegensatz zum öffentlichen Zusammensein bilden, also dem Familienkreise, der 
Privatgesellschaft im Privathause gleich stehen (Oberverwaltungsgericht 19. November 
1884, 8. November 1876 und 25. April 1883, Entscheidungen Bd. 11 S. 389, Bd. 1 
S. 375 und Bd. 9 S. 411). 
1. Die Verbindungen und Versammlungen von Studenten unterliegen den Vor- 
schriften dieses Gesetzes, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen zutreffen. Ueber die 
auf die Studentenverbindungen anzuwendenden Grundsätze ist ein Reskript des Kultus- 
ministers vom 1. Februar 1870 ergangen (Verwaltungs-Minist.-Bl. S. 73). 
2. Ueber die Kriegervereine siehe unten Anm. A. zu § 7. 
3. Von den Ureimaurerlogen sind nach dem Edikt vom 20. Oktober 1798 (bei 
Mylius Novum Corpus Tom. X. pag. 1775, auch Borchert Kodex des Deutsch- 
Preuß. Strafrechts und Strafprozesses, 1882 S. 5) die Mutterloge zu den drei Welt- 
kugeln, die große Landesloge, die Loge Royal Tork de l’amitié und die von ihnen 
geseifteten Töchterlogen tolerirt. Die Rüglerer müssen darnach mindestens 25 Jahre 
alt und der Ort der Zusammenkünfte der Polizei angezeigt sein. Andere Logen dürfen 
nach dem Edikte nicht errichtet werden. Auf Grund dieses Ediktes haben die genannten 
drei Logen ein unbedingtes Sprengelrecht in Anspruch genommen. Wie bereits ein 
Ministerialreskript vom 20. Mai 1849 (Verwaltungs-Minist.-Bl. S. 94) hat jetzt auch das 
Oberverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 22. April 1893 anerkannt, daß das 
Edikt vom 20. Oktober 1798 nicht mehr zu Recht besteht und auch die Freimaurerlogen 
nach den Vorschriften der Verfassungsurkunde und des Vereinsgesetzes zu beurtheilen 
sind. Im Anschluß an eine Justizministerialverfügung vom 20. November 1893 hat 
der Minister des Innern durch Reskript vom 7. Dezember 1893 (Verwaltungs-Minist.-Bl. 
1894 S. 120) ein polizeiliches Einschreiten gegen Vereine deshalb, weil * sich, ohne 
dem Verbande der drei altpreußischen Großlogen anzugehören, einen auf die Freimaurerei 
bezüglichen Namen beilegen, für unzulässig erklärt. Dagegen sollen die Behörden ein- 
schreiten, wenn sich unter dem Namen von Freimaurerlogen Vereine zu verstecken suchen, 
welche öffentliche Zwecke verfolgen oder gegen § 128 des Strafgesetzbuchs verstoßen, und 
daß dies nicht der Fall, sollen die nicht unter den drei Großlogen stehenden Freimaurer- 
logen nachweisen. Entsprechend befiehlt auch das gedachte Justizministerialreskript vor- 
kommenden Falles ein strafrechtliches Einschreiten. Was hiermit bezweckt wird, ist frei- 
lich nicht ganz klar. Die Bestimmungen des Vereinsgesetzes und des Strafgesetzbuches 
finden auf alle, nicht bloß auf die außerhalb der drei altpreußischen Großlogen stehenden 
Logen Anwendung, und die Freimaurer stellt eine hergebrachte Auffassung nicht unter 
§ 128 des Strafgesetzbuchs. 
G. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des § 2 werden nach 8 13 bestraft. 
§ 3. 
Wenn für die Versammlungen eines Vereins, welcher eine Ein- 
wirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezweckt, Zeit und Ort statuten- 
mäßig oder durch einen besonderen Beschluß im Voraus feststeht, und 
dieses wenigstens vierundzwanzig Stunden vor der ersten Versamm- 
lung zur Kenntniß der Ortspolizeibehörde gebracht worden ist, so 
bedarf es einer besonderen Anzeige, wie sie der § 1 erfordert, für 
die einzelnen Versammlungen nicht. 
Das Gesetz präsumirt, daß alle Versammlungen eines Vereins, welcher eine Ein- 
wirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezweckt, dem statutenmäßigen Zwecke dienen. 
Daher bedarf es einer der Vorschrift des § 1 entsprechenden Anzeige für die einzelnen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.