Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

III. Verordn. über r2c. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. S 4. 391 
Versammlungen dann nicht, wenn Zeit und Ort statutenmäßig oder durch einen be- 
sonderen Beschluß im Voraus feststehen und dieses wenigstens vierundzwanzig Stunden 
vor der ersten Versammlung zur Kenntniß der Ortspolizeibehörde gebracht worden ist 
(Kammergericht 7. Dezember 1891, Johow Jahrbuch Bd. 12 S. 245). Die Anmeldung 
muß natürlich unzweideutig erkennen lassen, daß es dieser bestimmte, eine Einwirkun 
auf öffentliche Angelegenheiten bezweckende Verein ist, um dessen Versammlungen es sich 
handelt, widrigenfalls dem § 3 nicht Genüge geleistet ist (Kammergericht 6. November 
1882, Verwaltungs-Minist.-Bl. 1883 S. 47). Auch über die ersochte Anmeldung der 
periodisch wiederkehrenden Versammlungen muß von der Polizeibehörde eine Bescheinigung 
ertheilt werden, welche genau erkennen läßt, daß und was angemeldet ist (Oberver- 
waltungsgericht 21. Januar 1891, Entscheidungen Bd. 22 S. 397). Fällt eine 
solche nach Zeit und Ort statutenmäßig oder durch einen besonderen Beschluß im Vor- 
aus bestimmte Vereinsversammlung aus irgend einem Grunde aus, so bedarf es darüber 
keiner Anzeige an die Polizeibehörde. Dagegen ist eine Anzeige allerdings erforderlich, 
wenn Zeit oder Ort, sei es auch nur für eine einzelne Versammlung, geändert wird; 
es liegt in diesem Falle eben eine gewöhnliche Versammlung nach § 1 des Gesetzes vor. 
Der Begriff der Vereinsversammlung ist nicht dadurch bedingt, daß absolut kein 
Nichtvereinsmitglied an ihr Theil nimmt. Erfolgt aber die Zuziehung von Gästen in 
einem derartigen Umfange, daß sich der Charakter der Versammlung ändert, diese also 
nicht mehr als statutenmäßige Vereinsversammlung anzusehen ist, so kann dieselbe auf 
Grund von 8 5 Satz 1 aufgelöst werden (Ministerialreskript vom 31. August 1890, 
Verwaltungs-Minist.-Bl. S. 200). 
8 4. 
Die Ortspolizeibehörde ist befugt, in jede Versammlung, in 
welcher öffentliche Angelegenheiten erörtert oder berathen werden sollen, 
einen oder zwei Polizeibeamte oder eine oder zwei andere Personen 
als Abgeordnete zu senden. 
Die Abgeordneten dürfen, wenn sie Polizeibeamte sind, nur in 
ihrer Dienstkleidung oder unter ausdrücklicher Kundgebung ihrer dienst- 
lichen Eigenschaft erscheinen. Sind sie nicht Polizeibeamte, so müssen 
sie durch besondere Abzeichen erkennbar sein. 
Den Abgeordneten muß ein angemessener Platz eingeräumt, ihnen 
auch auf Erfordern durch den Vorsitzenden Auskunft über die Person 
der Redner gegeben werden. 
A. 
1. Das frühere Obertribunal hat durch Erkenntniß vom 18. November 1864 (Oppen- 
hoff Rechtsprechung Bd. 5 S. 272) ausgesprochen, daß die durch dieses Gesetz den 
Ortspolizeibehörden beigelegten Befugnisse auch den diesen vorgesetzten höheren Or- 
ganen der Staatsgewalt, insbesondere dem Landrath, zustehen. Denn, so argu- 
mentirt der Gerichtshof, 
die Ortspolizeibehörde ist nur eines der verschiedenen Organe der Polizeigewalt 
überhaupt, ihre Befugnisse sind nur die Ausflüsse der letzteren, mithin auch 
an und für sich den höheren vorgesetzten Organen der Polizeigewalt beigelegt, 
sofern nicht besondere Ausnahmen in einzelnen Gesetzen bestimmt sind. Die Ueber- 
tragung bestimmter Funktionen an einzelne Polizeibehörden in einem Gesetze 
hat daher nur den Sinn, die besondere Amtspflicht dieser Behörden in dem 
gegebenen Falle zu bezeichnen, niemals aber kann daraus gefolgert werden, 
ba deshalb die Uebernahme derselben Funktionen durch die höheren vorge- 
setzten Organe der genannten Polizeibehörden gesetzlich untersagt sei, sobald 
sich dieselben den Betheiligten erkennbar machen und diese Uebernahme erklären. 
unterliegt es nun aber keinem Bedenken, daß der Kreislandrath die vorgesetzte 
Polizeibehörde der nicht ausdrücklich eximirten Ortspolizeibehörden seines 
Kreises ist. Ihm steht es demnach unbedenklich zu, unter den angeführten Um- 
ständen und nach seinem Ermessen statt ihrer einzuschreiten. Er ist alsdann
	        
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