Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

III. Verordn. über 2c. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. 84. 393 
C. 
wirken. Was sich aus der den Polizeibehörden ausschließlich beigelegten Be- 
fugniß ergiebt, ist, daß sie nicht verpflichtet sind, den Requisitionen der Staats- 
anwaltschaft ohne Weiteres zu genügen; dagegen können sie sich der Pflicht, 
die Gründe ihrer entgegenstehenden Ansicht mitzutheilen, nicht entheben, wo- 
nächst es dann dem Staatsanwalte überlassen bleiben muß, die Entscheidung 
der der Polizeiobrigkeit vorgesetzten Behörde einzuholen. 
Wie auch das soeben mitgetheilte Ministerialreskript vom 7. Dezember 1850 ausspricht, 
ist die Polizeibehörde nicht ein für alle Mal verpflichtet, Abgeordnete in die Bersamm- 
lung zu senden, sondern es ist ihrer freien, aus der Lage der Sache und der Verhält- 
nisse zu schöpfenden Ueberzeugung überlassen, ob sie von dieser Befugniß Gebrauch machen 
will oder nicht. Regelmäßig wird sie allerdings den Gebrauch machen, weil dies durch 
den Zweck der ihr eingeräumten Befugniß nahezu geboten ist. Der Zweck ist nämlich 
die Kenntnißnahme der Staatsgewalt von allen Verhandlungen in öffentlichen Angelegen- 
heiten und zwar in der doppelten Richtung, um die Gesetze, die öffentliche Ordnung 
und die Sicherheit der Personen und des Eigenthums zu wahren und um stets von der 
öffentlichen Meinung unterrichtet zu sein. Da der die Ortspolizei verwaltende Beamte 
seine Anordnungen persönlich, ohne Zuziehung eines anderen Exekutivbeamten, zur Aus- 
führung zu bringen berechtigt ist, so darf er selbst als Abgeordneter der von ihm re- 
präsentirten Behörde in die Versammlung kommen (Obertribunal 25. Oktober 1864, 
Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 5 S. 201). Die zahlreichen gesetzwidrigen Auflösungen 
durch gesetzesunkundige Gensdarmen und Polizeioffizianten, an denen die Heschichte es 
Preußischen Versammlungsrechts reich ist, lassen es erwünscht erscheinen, daß bei einer 
künftigen Reformirung dieses Gesetzes das zur Zeit nur fakultative persönliche Er- 
scheinen des Polizeiverwalters zu einem obligatorischen gemacht wird. 
Mehr als zwei Deputirte zu entsenden, ist die Polizeibehörde nicht befugt. Aus dieser 
Unzulässigkeit folgt jedoch nicht, daß der dritte Deputirte gewaltsam aus der Versamm- 
lung enlzermt werden darf oder, falls er zugegen bleibt, nur in privater Eigenschaft 
verweilt — was schon auf die bloß thatsächliche Schwierigkeit stoßen würde, daß, wenn 
die Deputirten gemeinschaftlich kommen, die Person des oder der überschüssigen De- 
putirten sich gar nicht fixiren läßt. Erscheinen mehr als zwei Deputirte, so giebt dies 
genügenden Grund zu dem Verlangen nach einer Reduktion dieser Zahl und demnächst 
u einer disziplinaren Beschwerde. Ein Wechsel der Abgeordneten während der Ver- 
sammlung, wobei die Zahl der gleichzeitig fungirenden zwei nicht überstiegen wird, ver- 
stößt natürlich nicht gegen das Gesetz. 
  
Eind die Abgeordneten Polizeibeamte, so dürfen sie nur in ihrer Dienstkleidung oder 
unter ausdrücklicher Kundgebung ihrer dienstlichen Eigenschaft erscheinen. Diese Kund- 
gebung kann sowohl durch eine den Versammelten in ausdrücklichen Worten abgegebene 
Erklärung, als auch durch konkludente Handlungen erfolgen, welche das Erscheinen des 
Abgeordneten in dienstlicher Eigenschaft unzweifelhaft kundmachen (Obertribunal 24. Jan. 
1877, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 18 S. 61). Die Abgeordneten, welche keine 
Polizeibeamten sind, müssen sich durch besondere, d. h. von ihrer sonstigen Kleidung 
abstechende Abzeichen kenntlich machen, also z. B. durch eine Schärpe oder Armbinde, 
und müssen sich auf Erfordern als Abgeordnete der Polizeibehörde gehörig — durch 
schriftlichen, ordnungsmäßig unterzeichneten und besiegelten Auftrag — legitimiren. 
Ob der den Abgecordneten eingeräumte Platz ein angemessener ist, läßt sich nur für 
jeden einzelnen Fall aus den Umständen feststellen. Die Entscheidung darüber steht 
aber nicht den Abgeordneten, sondern letztenfalls dem Strafrichter zu (Obertribunal 
18. November 1864, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 5 S. 272). Für mehr als zwei 
Abgeordnete braucht ein Platz nicht eingeräumt zu werden, indem in diesem Fall es 
den Abgeordneten überlassen bleiben kann, unter sich festzustellen, wer von ihnen über- 
schüssig ist. 
Den Abgeordneten muß auf Erfordern durch den Vorsitzenden Auskunft über die Per- 
son des Redners gegeben werden. Als Redner ist hier jeder anzusehen, welcher zu der 
Versammlung spricht, mag er auch nur einen Zwischenruf ausstoßen. Der Vorsitzende, 
welcher selbst immer zu den Rednern gehört, darf somit das Wort nicht ertheilen, wenn 
ihm nicht die Person des Redners, aho Name, Stand und Wohnort bekannt ist oder 
zugleich bekannt gegeben wird. 
G. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des § 4 werden nach § 14 bestraft.
	        
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