III. Verordn. über 2c. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. § 8. 403
geachtet der hiergegen vom Abgeordneten Camphausen erhobenen Bedenken ange-
nommen (a. a. O. 518, 520 und 526), dieser Zusatz ist indeß in die oktroyirte Ver-
ordnung vom 29. Juni 1349 nicht übergegangen. Bei deren Berathung wurde
dann der Vorwurf einer zu weiten Fassung nicht wieder in der 2., wohl aber in
der 1. Kammer zur Sprache gebracht, jedoch nicht für begründet erachtet auf die
Bemerkung des Referenten hin, daß die „auf Einladung eines Freundes in einem
Privatlokale zusammentretende Privatgesellschaft nicht eine Versammlung im Sinne
des 8 1 sei.“ (Stenogr. Berichte 1. Kammer 1849/50 S. 2878.) Sonach bleibt
es eine, im Einzelfalle zu beurtheilende Thatfrage, ob eine Zusammenkunft als
eine Versammlung im Sinne des § 1 oder als eine bloße Privatgesellschaft zu
erachten ist.
Indem nun der § 3 des Gesetzes für alle regelmäßigen Versammlungen
eines die Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezweckenden Bereins statt der
jedesmaligen eine generelle Anzeige zuläßt, so kann auch hier die „Versammlung“
nur in der vorstehenden, bloße Privatgesellschaften ausschließenden Bedeutung auf-
gefaßt werden. Wenn daher Zusammenkünfte der Vorsteher oder sonstiger Organe
oder auch einzelner Mitglieder des Vereins, in welchen dessen interne Angelegen-
beiten (das Kassen--, Rechnungswesen, bevorstehende Vereinswahlen) oder auch das
ünftige äußere Verhalten des Vereins und damit zugleich öffentliche Angelegenheiten
besprochen werden, und welche im Gegensatz zu den Versammlungen vielfach als
Sitzungen des Vereins bezeichnet zu werden pflegen, nach den thatsächlichen Ver-
hälnissen des Einzelfalles als bloße Privatgesellschaften angesehen werden müssen.
so sind sie der Anzeigepflicht nicht unterworfen.
Demzufolge steht auch Nichts entgegen, das Wort „Versammlung"“ in dem
hier fraglichen § 8 in dem gleichen Sinne aufzufassen. Darnach fällt ein Verein,
welcher zwar eine Einwirkung auf die Politik, aber nur durch Erörterungen in der
Presse bezweckt, unter die Beschränkungen des 8§ 8 nicht schon dann, wenn er in
bloßen Privatzusammenkünften (Sitzungen) seiner Vorsteher und sonstigen Organe
sein künftiges Vorgehen und damit politische Gegenstände beräth; diese Beschrän-
kungen treten nach Abs. 1 des § 8 vielmehr erst dann ein, wenn der Verein die
Erörterung politischer Gegenstände in seinen Versammlungen — sei es statuten-
mäßig, sei es thatsächlich — bezweckt hat. Sind aber diese Beschränkungen für den
Verein einmal wirksam geworden, so erstrecken sie sich nach dem dritten Absatze auch
dahin, daß die Frauen 2c. weder an den „Versammlungen“ noch an den „Sitzungen“
des Vereins Theil nehmen dürfen. Da der letztere Ausdruck im Laufe der Be-
rathung des Gesetzes in keiner Weise näher erläutert ist, erübrigt nur anzunehmen,
daß darunter im Gegensatze zu den Versammlungen die zu 8§ 1 näher erörterten:
sükrtellschaften, soweit sie von Vereinswegen veranstaltet werden, zu ver-
tehen sind.
Nach dem Wortlaute des § 8 ist in dessen erstem Satze das Wort „Ver-
sammlung“ nicht in einem durch den Zweck der Vereinigung eingeschränkten Sinne
gebraucht, weil eben aus allen Versammlungen mit den verschiedenartigsten Zwecken
die eine Unterkategorie ausgesondert wird, deren Zweck auf politische Erörterung
berichtet ist. Und dadurch, daß Vereine, welche diese Unterkategorie von Versamm-
ngen bezwecken, besonderen Beschränkungen unterworfen werden, ist offenbar nicht
der Begrif „Versammlung“ selbst beschränkt und insbesondere nicht dahin, daß
nunmehr unter denselben nur noch die zu politischen Erörterungen bestimmten fallen.
Nach den Interpretationsregeln ist aber ferner anzunehmen, daß der elchsrber
innerhalb derselben Norm mit demselben Ausdrucke auch den gleichen Begriff ver-
bunden hat. Und deshalb erscheint es ausgeschlossen, daß das Gesetz, welches im
Abs. 1 auch andere, als die zu politischen Erörterungen bestimmten Versammlungen
kennt, im dritten Absatz unter dem ohne jeden beschränkenden Zusatz angewendeten
Ausdrucke „Versammlungen“ nur die zu solchen Erörterungen bestimmten verstanden
haben könnte. Wollte das Gesetz hier den Begriff enger fassen, so hätte es die
auszuschließenden Arten der Zusammenkünfte genau bezeichnen müssen; jede derartige
Bezeichnung würde aber — da nichts hindert, bei wissenschaftlichen, litterarischen,
ja selbst bei rein geselligen Unterhaltungen (durch Tischreden) auch politische Gegen-
stände zu erörtern — die bequeme Möglichkeit jederzeitiger Umgehung des Gesetzes
eröffnet haben.
Vorstehende, aus der Wortfassung folgende Auslegung muß jedenfalls bis
zum strikten Nachweise einer entgegengesetzten Absicht des Gesetzgebers gelten. Ein
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