Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

406 III. Verordn, über r2c. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. 8 10. 
B. Die „solchen Versammlungen“ des Abs. 3 sind nicht lediglich die in Satz 1 des Abs. 3 
edachten, sondern die überhaupt zu Beginn des Paragraphen benannten, „öffentlichen 
ersammlungen unter freiem Himmel.“ 
C. Zuwiderhandlungen gegen § 9 werden nach § 17 bestraft. 
8 10. 
Den in dem vorhergehenden Paragraphen erwähnten Versamm- 
lungen werden öffentliche Aufzüge in Städten und Ortschaften oder 
auf öffentlichen Straßen gleichgestellt. Bei Einholung der Genehmigung 
ist der beabsichtigte Weg anzugeben. Gewöhnliche Leichenbegängnisse, 
sowie Züge der Hochzeitsversammlungen, wo diese hergebracht sind, 
kirchliche Prozessionen, Wallfahrten und Bittgänge, wenn sie in der 
hergebrachten Art stattfinden, bedürfen einer vorgängigen Genehmigung 
und selbst einer Anzeige nicht. 
A. Die öffentlichen Aufzüge in Städten und Ortschaften oder auf öffentlichen Straßen unter- 
liegen vollständig den beschränkenden Bestimmungen des 9 9, nach dessen Schlußsatze 
auf sie die Bestimmungen der 88 1, 4, 5, 6 und 7 gleichfalls Anwendung finden. Einen 
öffentlichen Aufzug stellt es aber dar, wenn eine vereinigte Menschenmenge in einer 
Weise sich über öffentliche Straßen hinbewegt, welche die Aufmerksamkeit des Publikums 
zu erregen und die öffentliche Ordnung, insbesondere den Verkehr zu gefährden geeignet 
ist. Des Nachweises, daß dadurch ein Versammlungs- oder Vereinigungsrecht habe 
ausgeübt oder in Anspruch genommen werden sollen, bedarf es nicht (Obertribunal 
12. September 1877, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 18 S. 553). Das „in Städten 
und Ortschaften oder auf öffentlichen Straßen“ deckt sich mit dem in § 116 und anderen 
Paragraphen des Strafgesetzbuchs gebrauchten Ausdruck „auf öffentlichen Wegen, Straßen 
oder Plätzen.“ Gemeint sind also nicht bloß die Verkehrswege in den Städten und 
Dörfern, sondern überhaupt alle Wege, einschließlich der Landstraßen, sofern nur das 
Kriterium der Oeffentlichkeit zutrifft. Und zwar sind diejenigen Wege 2c. öffentlich, 
welche und solange sie dem öffentlichen Verkehre, d. h. dem Gebrauche des Publikums 
freigegeben sind, mag auch der Grund und Boden im Privateigenthum stehen (Reichs- 
Ericht 17. Juni 1890 und 19. Februar 1891, Entscheidungen in Strafsachen Bd. 21 
13 und 370). Dagegen unterliegen öffentliche Aufzüge auf Wasserstraßen — siehe 
88 243 Nr. 4, 250 Nr. 3 Strafgesetzb. — als solche nicht den Beschränkungen der 88 9, 
10 (Obertribunal 24. Mai 1866, Oppenhoff Bd. 7 S. 310). Hierunter ist ein jedes — 
schiff- oder flößbare — Gewässer zu verstehen, welches, ohne unter den Begriff der den 
Gegensatz bildenden „offenen See“ zu fallen, dem öffentlichen Verkehr dient. 
ei Einholung der Genehmigung ist der für den Aufzug beabsichtigte Weg an- 
zugeben, widrigenfalls die Genehmigung t versagen ist. Wird von dem angegebenen 
Wege ohne Noth abgewichen, so ist der Aufzug insoweit nicht mehr ein genehmgter, 
B. Wie bereits in Anmerk. A. zu § 7, oben S. 396, bemerkt ist, bedürfen die polizeilich 
bestätigten Kriegervereine keiner besonderen Erlaubniß zur militärischen Begleitung der 
Leichen verstorbener Waffengefährten. Satz 2 des § 10 fügt noch drei weitere Aus- 
nahmen hinzu, nämlich: 
1. gewöhnliche Leichenbegängnisse; 
2. Züge der Hochzeitsversammlungen, wo diese hergebracht sind; 
3. kirchliche Pmozzessionen, Wallfahrten und Bittgänge, wenn sie in der hergebrachten 
Art stattsinden. 
Der Grund der Beschränkungen der 88§ 9, 10 liegt theils in der Gefahr, welche 
die öffentliche Sicherheit überhaupt bei den Vereinigungen größerer Volksmengen unter 
freiem Himmel erleidet, theils in den Rücksichten, welche der durch solche Versammlungen 
und Aufzüge gehinderte oder gestörte Verkehr an öffentlichen Orten, Straßen und Plätzen 
von Seiten der Ortspolizeibehörde erfordert. Dieser Grund cessirt ersichtlich bei solchen 
Aufzügen, welche dem gewöhnlichen oder kirchlichen Leben angehören und an sich bezw. 
ihrer Art nach hergebracht sind. Einer Ausdehnung dieser gesetzlichen Ausnahmen von 
dem Erforderniß schriftlicher polizeilicher Genehmigung ist nicht statthaft (Obertribunal 
 
	        
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