Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

Einleitung. § 1. 23 
hier die Reorganisation Deutschlands durch Verwandlung des Staatenbundes 
in einen Bundesstaat, die Bildung und unverzügliche Berufung einer vor- 
läufigen Bundesrepräsentation aus den Ständen aller Deutschen Länder und 
zu dem Ende eine konstitutionelle Verfassung aller Deutschen Länder für den 
Inhalt der von ihm „Unseren Deutschen Bundesgenossen zu machenden Vor- 
schläge“ und berief, „damit Wir desto eher diejenigen Vorschläge zu entwickeln 
im Stande sind, welche Wir für die Verfassung Unserer Staaten nöthig er- 
achten", den Vereinigten Landtag auf den 2. April ein. Am 21. März er- 
ließ der König einen „Aufruf an Mein Volk und die Deutsche Nation“, 
in welchem er „die Einführung wahrer konstitutioneller Verfassungen, 
mit Verantwortlichkeit der Minister in allen Einzelstaaten, öffentliche 
und mündliche Rechtspflege, in Strafsachen auf Geschworenengerichte ge- 
stützt, gleiche politische und bürgerliche Rechte für alle religiöse Glaubensbe- 
kenntnisse, und eine wahrhaft volksthümliche, freisinnige Verwaltung“ als die 
einzigen Mittel bezeichnete, „die äußere und innere Einheit Deutschlands zu 
bewirken und zu befestigen.“ In diesem Aufruf, in welchem zugleich das Wort 
vorkam „Preußen geht fortan in Deutschland auf“, wurde auch auf eine 
Deutsche Ständeversammlung hingewiesen, in welchem die Deutschen Fürsten 
mit Vertretern des Deutschen Volkes über die Wiedergeburt des Gesammtvater- 
landes berathen sollten. Am 2. April trat, zum letzten Mal, der Vereinigte 
Landtag zusammen. Derselbe tagte, in nur vier Sitzungen, bis zum 10. April 
und nahm die ihm vorgelegten beiden Gesetzentwürfe fast unverändert an, 
welche sofort, noch vor dem Schluß der Session, sanktionirt und publizirt 
wurden. Die Verordnung über einige Grundlagen der Preußischen 
Verfassung vom 6. April 1848 (Ges.-Samml. S. 87), in sechs Para- 
graphen, hob die Kautionspflicht der Zeitungen, die für Staatsverbrechen 
durch Ausnahmegesetze eingeführten Gerichtsstände und die bestehenden Diszi- 
plinargesetze für den Richterstand auf, gewährleistete das Versammlungs= und 
Vereinigungsrecht, sowie die vom Religionsbekenntniß unabhängige Ausübung 
der staatsbürgerlichen Rechte, und bestimmte in § 6: 
Den künftigen Vertretern des Volks soll jedenfalls die Zustimmung 
zu allen Gesetzen, sowie zur Festsetzung des Staatshaushaltsetats und das 
Steuerbewilligungsrecht zustehen. 
Das zweite Gesetz, das Wahlgesetz für die zur Vereinbarung 
der Preußischen Staatsverfassung zu berufende Versammlung 
vom 8. April 1848 (Ges-Samml. S. 89) sollte, wie es der König meh- 
rere Male ausgesprochen hatte, der konstitutionellen Verfassung „die breiteste 
Grundlage“ geben. Jeder Preuße, welcher das vierundzwanzigste Lebensjahr 
vollendet und nicht den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräf- 
tigen Erkenntnisses verloren hat, ist stimmberechtigter Urwähler in der Ge- 
meinde, worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, 
insofern er nicht aus öffentlichen Mitteln Armenunterstützung bezieht. Die 
Wahlen sind indirekte. Auf je 500 Seelen entfällt ein Wahlmann. Zu 
Wahlmännern sind nur die stimmberechtigten Urwähler des betreffenden Wahl- 
bezirks wählbar, zum Abgeordneten dagegen jeder Preuße, der das dreißigste 
Lebensjahr vollendet und den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte nicht verwirkt 
hat, und zwar im ganzen Bereiche des Staates. Für jeden landräthlichen 
Kreis, sowie für jede Stadt, die zu keinem landräthlichen Kreise gehört, wird
	        
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