Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

410 III. Verordn. über 2c. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. 8 11. 12. 
halb des Bezirks zu untersagen. Unter dieses Verbot werden dann auch hergebrachte 
und deshalb einer besonderen Genehmigung nicht bedürfende Prozessionen, Bittgänge 
u. s. w. ausdrücklich zu subsumiren sein. 
Berlin, den 26. August 1874. 
Der Minister des Innern. Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und 
Graf zu Eulenburg. Medizinalangesegenheiten. 
alk. 
D. Zuwiderhandlungen gegen § 10 werden nach § 17 bestraft. 
11. 
Innerhalb zweier Meilen von dem Orte der jedesmaligen Re- 
sidenz des Königs, oder von dem Orte des Sitzes beider Kammern 
dürfen Volksversammlungen unter freiem Himmel von der Orts- 
polizeibehörde nicht gestattet werden. Das letztere Verbot besteht nur 
für die Dauer der Sitzungsperiode der Kammern. 
A. Diese Vorschrift beruht auf der Erwägung, daß von den Entschließungen der höchsten 
Staatsgewalten selbst der Schein ferngehaßten werden muß, als könnten sie unter dem 
Einfluß von Versammlungen gefaßt sein, welche sich als Vertreter des Volkswillens 
aufwerfen möchten, während sie nur die Absicht solcher darstellen, denen eine Einwirkung 
auf die Gesetzgebung und auf die Ausübung der vollziehenden Gewalt rechtlich nicht 
zusteht (Stenogr. Berichte der II. Kammer 1849/1850 Bd. 1 S. 203). Natürlich ist 
nicht jede Versammlung unter freiem Himmel als eine Volksversammlung anzusehen. 
Andererseits sind aber unter Volksversammlungen nicht nur solche Versammlungen zu 
verstehen, zu denen eine öffentliche und allgemeine Einladung ergangen ist, sondern auch 
solche, bei denen auch ohne eine dahin lautende Aufforderung eine allgemeinere Be- 
theiligung des Volkes erwartet werden kann. In Ermangelung einer gesetzlichen Defi- 
nition muß es dem Ermessen der Ortspolizeibehörde überlassen bleiben, darüber zu be- 
finden, ob eine angekündigte Versammlung den Charakter einer Volksversammlung an- 
nehmen werde (ebenda Bd. 5 S. 2772). Am richtigsten wird darunter eine räumlich 
zusammengehaltene, sich nach Belieben erweiternde und den Anschluß des Publikums, 
nicht bloß individuell bestimmter Personen gestattende Anzahl Menschen verstanden. Die 
Anzahl braucht keine ungezählte Menge, keine ungemessene Vielheit zu sein, muß aber 
eine größere, nicht sofort as den ersten Blick feststellbare sein. 
B. Unter Ort ist nicht das Ortsgebiet oder Weichbild zu verstehen, sondern der letzte ge- 
schlossene Häuserkomplex, und wenn ein solcher in dem betreffenden Gemeindebezirk nicht 
existirt, das Haus, in welchem der König residirt, der Landtag tag Siehe übrigens An- 
merkung B. Abs. 2 zu Art. 51 der Verfassungsurkunde, oben S. 116. Der Ausdruck 
Residenz ist gleichbedeutend mit Aufenthalt. 
C. Zuwiderhandlungen gegen § 11 werden nach § 17 bestraft. 
Ist die Versammlung von dem zuständigen Beamten oder Befehlshaber der be- 
waffneten Macht aufgefordert, auseina Derzugehen, so wird nach § 116 Strafgesetzbuch 
jeder der Versammelten, welcher nach der dritten Ausforderung sich nicht entfernt, wegen 
Auflaufs mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu eintausend- 
fünfhundert Mark bestraft. 
  
12. 
Wenn eine Versammlung ohne die in § 1 vorgeschriebene An- 
zeige stattgefunden hat, so trifft den Unternehmer eine Geldbuße von 
fünf bis fünfzig Thalern oder Gefängnißstrafe von acht Tagen bis 
zu sechs Wochen. Derjenige, der den Platz dazu eingeräumt hat, 
und Jeder, welcher in der Versammlung als Vorsteher, Ordner, Leiter 
oder Redner aufgetreten ist, hat eine Geldbuße von fünf bis fünfzig 
Thalern verwirkt.
	        
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