414 III. Verordn. über rc. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. 8 16.
ist ein Vergehen im Allgemeinen nur dann strafbar, wenn es mit Vorsatz begangen ist.
Jedenfalls nach Reichsrecht bildet die Bestrafung der Fahrlässigkeit eine Ausnahme,
die nur dann als gegeben anzunehmen ist, wenn der Wille, auch die fahrlässige Handlung
zu bestrafen, im Gesetze ausdrücklich ausgesprochen oder aus dem Zusammenhange der
geseplichen Bestimmungen mit Sicherheit zu entnehmen ist (Reichsgericht 11. Juni 1891,
utscheidungen in Strafsachen Bd. 22 S. 43). Das Kammergericht (Urtheil vom 4. April
1892, Johow Jahrbuch Bd. 13 S. 362) hat sich bezüglich der Aufnahme von Lehr-
lingen für die zweite Alternative entschieden. Der Grundsatz, daß nur das vorsätzliche
Vergehen strafbar sei, könne, wie er keineswegs für alle Vergehen zutreffe, namentlich
auf diejenigen Strafthaten nicht ohne Weiteres Anwendung finden, welche, wie die vor-
liegende, außerhalb des Rahmens des Strafgesetzbuchs stehen. Vielmehr müsse nach der
Natur jedes einzelnen Vergehens beurtheilt werden, ob dasselbe Dolus erheische oder auch
kulpos begangen werden könne. Wenn nun im vorliegenden Falle das Gesetz die voll-
kommene Fernhaltung aller Elemente, welche nicht im Besitze einer genügenden sittlichen
Reife und der zur Beurtheilung sozialer und politischer Verhältnisse erford lichen Urtheils-
kraft sich befinden, von Vereinen, welche die Behandlung solcher Verhältnisse sich zum
Ziel gesetzt haben, bezwecke, so ergebe sich daraus, daß es die Zuwiderhandlung gegen
diesen Gesetzeszweck bestrafen wolle, gleichviel ob dieselbe fahrlässig oder absichtlich, d. h.
mit Vorsatz erwolge, weil andernfalls der Umgehung des Gesetzes Thür und Thor ge-
öffnet sein würde. Die Ansicht, daß nur ein vorsätzliches Zuwiderhandeln der Vorsteher
eines Vereins gegen 8 8 unter die Strafe des §8 16 falle, finde in den Motiven, dem
Kommissionsberichte und den Kammerverhandlungen (Stenogr. Berichte der II. Kammer
Bd. 1 S. 121, 638 ff., Bd. 5 S. 2770 bis 2800, 2810 bis 2812) keine Bestätigung. —
Diese blusfeungen sind nicht unbedenklich. Die Argumentation, eine Fahrlässigkeit
deshalb für strafbar zu erachten, weil anderenfalls das Gesetz leicht zu umgehen wäre,
ist an sich eine ungewöhnliche und schon aus dem Grunde nicht zutreffende, weil kein ver-
nünftiger Richter der Behauptung des Angeklagten, er habe in gutem Glauben gehandelt,
ohne Weiteres trauen, eine Umgehung des Gesetzes also hier keineswegs leichter sein
wird als überhaupt bei den Delikten polizeilicher Natur. In den allegirten Materialien
findet aber auch die Ansicht des Kammergerichts keine Bestätigung. Comit erscheint es
nicht als genügend motivirt, von der allgemeinen Rechtsregel abzuweichen.
Die Strafe ist verwirkt nicht bloß dann, wenn die betreffenden Vorsteher u. s. w.
im ausdrücklichen Auftrag des Vereins gehandelt, sondern auch dann, wenn sie zunächst
aus eigener Initiative in Voraussicht und Erwartung der Genehmigung Seitens des
Vereins gehandelt haben, und demnächst ihre Handlungen, sei es ausdrücklich, sei es
stillschweigend, von letzteren genehmigt worden sind (Kammergericht 13. März 1884,
Johow Jahrbuch Bd. 4 S. 295).
. Zum zweiten normirt das Gesetz die Schließung des Vereins und zwar sowohl als eine
vorläufige, als auch als eine definitive. Die vorläufige Schließung kann nur von der
Ortspolizeibehörde ausgehen, nicht auch durch ein gerichtliches, wenngleich noch nicht
rechtskräftiges, Urtheil erfolgen (Obertribunal 12. Februar 1879, Oppenhoff Recht-
sprechung Bd. 20 S. 82). Ueber die polizeiliche vorläufige Schliepung muß, wofern sie
nicht nach § 16 Abs. 4 schon im Vorverfahren aufgehoben wird, nach § 8 Abs. 2 stets
durch Urtheil entschieden werden (Obertribunal 19. Kovember 1873, Oppenhoff Recht-
sprechung Bd. 14 S. 431). Das Gericht kann zwar die Fortdauer der vorläufigen
Schließung dekretiren, selbst aber den Verein nur definitiv schließen, und zwar auch ohne
daß eine vorläufige Schließung durch die Polizeibehörde vorhergegangen ist. Dabei ist
zu beachten, daß die von der Polizei verfügte vorläufige Schlebund sofort, die von
dem Richter erkannte definitive Schließung aber erst mit der Rechtskraft des Urtheils
in Kraft tritt.
Die prozessualischen Vorschriften des § 16 sind nach § 6 des Einführungsgesetzes
zur StrafprozeLordnung durch die Vorschriften der Strafprozeßordnung selbst nicht be-
rührt worden. Nach § 6 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch darf vom
1. Januar 1871 ab nur auf die im Strafgesetzbuche enthaltenen Strafarten erkannt
werden, unter welchen die Schließung eines politischen Vereins nicht aufgezählt ist. Aber
diese Schließung ist auch keine Strafe, sondern ein aus Zweckmäßigkeitsgründen den Ge-
richten übertragener Exekutivakt, wird also durch § 6 cit. nicht für unzuläs erklärt
(Reichsgericht 18. Februar 1887, Endscheidungen in Strafsachen Bd. 15 S. 305).
es Näheren ist hier zu bemerken:
1. Die gerichtliche Schließung eines politischen Vereins kann bezw. muß aus-
gesprochen werden, sobald auch nur ein einzelner Vorsteher, Ordner oder Leiter desselben