416 III. Verordn, über 2c. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. 8§ 17.
die Polizeibehörde gegen die Aufhebung der vorläufigen Schließung durch die Staats-
anwaltschaft das Recht der Beschwerde hat, wie mehrfach angenommen ist, muß als
zweiselhaft erscheinen, da die Polizeibehörde an der Aufrechthaltung der Schließung durch
ie Staatsanwaltschaft, deren untergeordnetes Organ sie ist, in keiner anderen Weise
rechtlich interessirt ist, wie überhaupt jede Behörde an der Aufrechthaltung ihrer Ber-
fügungen durch die vorgesetzte Behörde. Mit demselben Rechte könnte auch der
Richter, dessen Urtheil in der zweiten Instanz umgestoßen wird, sich darüber bei der
dritten Instanz beschweren. Am allerwenigsten dürfte die Polizeibehörde sich für befugt
halten, auf Grund der von ihr eingelegten Beschwerde die Schließung, obgleich dieselbe
von der Staatsanwaltschaft aufgehoben, als noch fortdauernd zu behandeln. Uebrigens
ist die ganz homogene Frage, ob die Polizeibehörde ein Beschwerderecht gegen die us,
hebung der vorläufigen Schließung durch den Richter hat — siehe unten —, niemals
gewagt werden.
Findet die Staatsanwaltschaft die angeblichen Gesetzwidrigkeiten geeignet, eine
Anklage darauf zu gründen, so schreitet sie, nach der Terminologie der Strafprozeß,
ordnung (8§ 108), zur Erhebung der öffentlichen Klage, indem sie entweder eine gerichtliche
Voruntersuchung beantragt oder eine Anklageschrift einreicht. Zuständiges Gericht ist
das Schöffengericht, die zuständige Staatsanwaltschaft der Amtsanwalt, jedoch mit der
Befugniß des Staatsanwaltes, die Amtsverrichtungen des Amtsanwaltes selbst zu über-
nehmen (Gerichtsverfassungsgesetz § 146). Die Voruntersuchung, nach § 176 Abf. 3
Strafprozeßordnung sonst in den zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehörenden und
wirklich von diesem zur Aburtheilung kommenden Strafsachen nicht zulässig, ist für diesen
Spezialfall durch den oben bereits allegirten § 6 des Einführungsgesetzes zur Straf-
prozeßordnung aufrecht erhalten. Als Untersuchungsrichter fungirt der Amtsrichter.
Der Amtsrichter hat sogleich nach Eingang sei es des Antrages auf Eröffnung
der Voruntersuchung, sei es der Anklageschrift, darüber Beschluß zu #sfen, ob die vor-
läufige Schließung des Vereins bis zum Erkenntnisse in der Hauptsache bezw. bis zur
Erledigung der Sache ohne Hauptverhandlung fortdauern soll. Die Beschwerde gegen
solchen Beschluß hat keine aufschiebende Wirkung und steht nicht bloß der Staatsanwalt-
schaft und den Angeklagten, sondern auch den nicht angeklagten Mitgliedern des Vereins
zu, da diese an der Schließung des Vereins interessirt find also durch den die Fortdauer
der Schließung verhängenden Beschluß mit betroffen werden (§ 346 Abs. 2 Strafprozeß-
ordnung). Sie ist aber, wenn der Beschluß erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens
erfolgen sollte, nur den nicht angeklagten Mitgliedern des Vereins (Strafprozeßordnung
8 347) und in der zweiten Instanz gar nicht iehr zulässig (Strafprozeßordnung § 352),
so daß hier ein prozessualischer Angriff nur noch als Angriff auf das Urtheil möglich
ist. Erachtet der Amtsrichter die Beschwerde für begründet, so hat er ihr abzuhelfen,
anderenfalls sie sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen, der Strafkammer vor-
zulegen. Uebrigens sind die Gerichte oder der Richter grundsätzlich für befugt zu er-
achten, ihre mit der fristlosen Beschwerde anfechtbaren und somit einer Rechtskraft nicht
fähigen Entscheidungen auch Mangels einer Beschwerde, von Amtswegen oder auf An-
trag, zu ändern oder zurückzunehmen, und es fehlt an einem inneren Grunde für die
Annahme, daß ihnen die Befugni zur Aenderung ihrer Beschlüsse erst aus der erfolgten
Einlegung der Beschwerde erwachse.
Wird der Angeklagte, ohne daß es zur Hauptverhandlung kommt, außer Ver-
folgung gesetzt, so ist die vorläufige Schließung, falls solches nicht schon geschehen, auf-
uheben, da ein sogen. objektives Verfahren nicht zulässig ist (Anm. B. 1 in tine, oben
B. 415). Der Beschluß ist sofort rechtswirksam. Kommt es zur Hauptverhandlung, so
ist durch das Urtheil, welches aber erst mit erlangter Rechtskraft auch in dieser Be-
#ung rechtswirksam ist, die vorläufige Schließung entweder aufzuheben oder in eine
definitive umzuwandeln. Gegen das Urtheil steht, wie bereits bemerkt, nur der Staats-
anwaltschaft und den Angeklagten ein Rechtsmittel zu.
817.
Wer an einem Aufzuge oder an einer Versammlung unter freiem
Himmel Theil nimmt, zu welcher die nach dem gegenwärtigen Gesetze
erforderliche Genehmigung nicht ertheilt ist, wird mit einer Geldbuße
von einem bis fünf Thalern bestraft.