418 III. Verordn. über 2c. des Versamml.= u. Vereinigungsrechtes v. 11. März 1850. 8 18.
Die Ordner, Leiter, Redner, überhaupt die Theilnehmer sind nur dann strafbar,
wenn der Aufzug, die Versammlung wirklich stattgefunden hat (Obertribunal 3. Oktober
1862, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 3 S. 48). Als Leiter eines Aufzuges gilt jeden-
falls derjenige, welcher als die Hauptperson in demselben anzusehen und denselben
dirigirt, mag er sich auch nicht immer an der Spitze befunden haben (Kammergericht
29. Januar 1883, Verwalt.-Minist.-Bl. S. 173). Unter einer Rede ist nicht lediglich eine laute
Ansprache an eine größere oder geringere Mehrheit von Personen zu verstehen. Daher
fällt auch ein kurzgefaßter, den Intentionen oder Gefühlen einer Trauerversammlung
Ausdruck gebender Nachruf an einen Verstorbenen unter den gesetzlichen Begriff der
Rede. Ob die Rede mit besonders lauter, feierlicher oder mit gewöhnlicher Stimme ge-
sprochen, und ob sie von allen oder nur von einigen der Versammelten gehört und ver-
tanden twird. #iht gleichgiltig (Kammergericht 18. Januar 1892, Johow Jahrbuch
.1 239).
D. Das Gesetz begrenzt im dritten Absatz die in den beiden ersten Absätzen ausgesprochene
Strafbarkeit und fügt zugleich eine Beweisregel für den Richter bei. Nämiich
1. Die Strafen der Ordner, Leiter, Redner und sonstigen Theilnehmer sind jeder
Zeit verwirkt, wenn die Versammlung oder der Aufzug in Städten und Ortschaften
oder auf öffentlichen Straßen, oder wenn eine Volksberfammlung in den Fällen des
§ 11 stattgefunden hat. Das Bewußtsein der mangelnden Genehmigung gehört nicht
zu den Voraussetzungen der Strafbarkeit, vielmehr zieht die bloße Theilnahme die Strafe
nach sich (Obertribunal 1. Juli 1857, Oppenhoff Rechtsprechung Bd. 16 S. 510;
Kammergericht 27. Februar 1893, Johow Jahrbuch Bd. 13 S. 373).
2. In allen anderen Fällen sind die Ordner und Leiter stets, die Theilnehmer
aber und selbst diejenigen, welche als Redner aufgetreten sind, nur dann strafbar, wenn
ihnen die Nichtgenehmigung bekannt gewesen ist, und zwar soll die Kenntniß der Ge-
nehmigung ohne weiteren Nachweis angenommen werden, wenn die Versagung der
Genehmigung oder das nachträgliche Verbot vorher öffentlich oder den Theilnehmern
besonders bekannt gemacht war. Wird die Nichtgenehmigung oder das Verbot während
der Versammlung oder während des Aufzuges selbst bekannt Pemacht, so kann sich wegen
seiner späteren Betheiligung Niemand mit Unkenntniß der Nichtgenehmigung oder des
Verbotes entschuldigen. Einer besonderen Bekanntmachung bedarf es natürlich bezüglich
derjenigen Theilnehmer und Redner nicht mehr, welche bereits wissen, daß zu der Ver-
sammlung oder dem Aufzuge, an welcher oder welchem sie sich betheiligen, die erforderliche
Genehmigung nicht ertheilt oder ein nachträgliches Verbot ergangen ist (Reichsgericht
9. Februar 1887, Just.-Minist.-Bl. S. 248; Kammergericht 30. Dezember 1889, Johow
Jahrbuch Bd. 10 S. 247).
ezüglich der Beweisregel siehe Anm. B. Abs. 2 zu § 16, oben S. 414.
8 18.
Wer gegen das Verbot des § 7 in einer Versammlung be-
waffnet erscheint, wird mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu
sechs Monaten bestraft.
A. Der § 9 Absl. 3 spricht aus, daß auf öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel
nicht nur die Bestimmungen der §8 1, 4, 5, 6, sondern auch die Bestimmung des § 7
Anwendung finden soll. Der § 10 bestimmt sodann, daß den in dem vorhergehenden
Paragraphen erwähnten Versammlungen öffentliche Aufzüge in Städten und Ortschaften
oder auf öffentlichen Straßen gleichgestellt werden. Diese Gleichstellung ist nicht eine
auf das Erforderniß der schriftlichen Genehmigung der Polizeibehörde beschränkte, sondern
nach Wortlaut und Zusammenhang dieser Bestimmungen eine vollständige, also auch das
Verbot des § 7 umfassende, so daß auch bei den öffentlichen Aufzügen Niemand bei der
in § 18 verordneten Strafe bewaffnet erscheinen darf. Der Umstand, daß im § 18 der
öffentlichen Aufzüge nicht ausdrücklich Erwähnung geschieht, findet darin seine Erklärung,
daß man es augenscheinlich im Hinblick auf die ganz allgemeine Bestimmung des 8 10
nicht für nöthig befunden hat, der öffentlichen Aufzüge noch besonders Erwähnung zu
thun (Kammergericht 26. Jannar 1885, Johow Jahrbuch Bd. 5 S. 281; auch Ober-
verwaltungsgericht 1. Oktober 1890, Entscheidungen Bd. 20 S. 432).
B. Zuständig ist die Strafkammer, jedoch ist Ueberweisung an das Schöffengericht zulässig.