Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

Einleitung. § 1. 27 
und Verwaltung der Provinzen, Bezirke und Kreise voraus. Bis dies ge- 
schehen, also nur interimistisch, erfolgen die Wahlen zur Ersten Kammer nach 
dem Wahlgesetz vom 6. Dezember 1848, als allgemeine, gleiche, indirekte und 
geheime. In einer Anmerkung zum Art. 63 wird aber bemerkt, daß bei Re- 
vision der Verfassungsurkunde zu erwägen bleibe, ob ein Theil der Mitglieder 
der Ersten Kammer vom Könige zu ernennen und den Oberbürgermeistern der 
großen Städte, sowie den Vertretern der Universitäten und Akademien der 
Wissenschaften und Künste ein Sitz in der Kammer einzuräumen sein möchte. 
In Art. 112 der Verfassungsurkunde war bestimmt, daß dieselbe sofort 
nach dem ersten Zusammentreten der Kammern einer „Revision auf dem Wege 
der Gesetzgebung“ unterzogen werden solle. Daher erging gleichzeitig mit 
der Verfassungsurkunde das Patent, betreffend die Zusammenberufung der 
Volksvertreter, vom 5. Dezember 1848 (Ges.-Samml. S. 392), durch welches 
„die nach der Verfassungsurkunde ins Leben zu rufenden beiden Kammern“ 
auf den 26. Februar 1849 nach Berlin einberufen wurden. Beide Kammern 
erkannten in ihren an die Krone erlassenen Adressen vom 17. und 30. März 
die oktroyirte Verfassungsurkunde vom 5. Dezember 1848 als „das zu Recht 
bestehende Staatsgrundgesetz“z, als „das nunmehr giltige Grundgesetz des 
Preußischen Staates“ an und begannen mit der in Art. 112 vorbehaltenen 
Revision. Ehe es aber hierüber zu Verhandlungen im Plenum kam, am 
27. April 1849, wurde die Zweite Kammer — hauptsächlich wegen ihrer 
Opposition gegen die auf Grund des Art. 105 erlassenen Nothverordnungen 
und wegen ihres Beschlusses, daß die Fortdauer des über Berlin verhängten 
Belagerungszustandes ungesetzlich sei, — aufgelöst und die Erste Kammer ver- 
tagt. Am 30. Mai 1849 wurde auf Grund des Art. 105 die Verordnung 
über die Wahl der Abgeordneten zur Zweiten Kammer erlassen (Ges.-Samml. 
S. 205), durch welches die indirekten Wahlen an Stelle der direkten gesetzt und 
das Dreiklassensystem der Urwähler eingeführt wurde, um, wie es in der 
nächsten Thronrede hieß, „den grellen Widerspruch auszugleichen, worin sich 
bisher die Ausübung des allgemeinen Stimmrechts mit der Natur der wirk- 
lichen Lebensverhältnisse befand.“ Die neuen Wahlvorschriften machten es 
nothwendig, erst eine allgemeine direkte Besteuerung ins Werk zu setzen. Da- 
her war es der Regierung nicht möglich, die in Art. 49 der Verfassungsur- 
kunde gesetzte vierzehntägige, bezw. sechszigtägige Frist seit Auflösung der 
Kammern für die Versammlung der Wähler, bezw. für die Versammlung der 
Kammern einzuhalten, vielmehr erfolgte die Einberufung — durch Verord- 
nung vom 30. Mai — erst auf den 7. August. Beide Kammern ertheilten 
übrigens demnächst ihre Genehmigung zu der Wahlverordnung vom 30. Mai 
1819 und erkannten an, daß die Nichteinhaltung der gedachten Fristen durch 
die Umstände gerechtfertigt sei. 
Die Erste Kammer hatte am 26. März — vor ihrer Vertagung — be- 
schlossen gehabt: 
a) daß die Verfassungsurkunde vom 5. Dezember 1848 den Abtheilungen 
zur Vorberathung über die vorbehaltene Revision zu überweisen; 
b) daß in jeder Abtheilung, nach vorhergegangener Besprechung über die 
bei der Revision im Allgemeinen in Betracht zu ziehenden Grundsätze, 
zwei Berichterstatter für den zu wählenden Centralausschuß erwählt 
werden sollten;
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.