Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

J. 
Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. 
Vom 31. Jannuar 1850. 
(Ges.-Samml. S. 17.) 
Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von 
Preußen 2c. 2c. thun kund und fügen zu wissen, daß Wir, nachdem 
die von Uns unterm 5. Dezember 1848 vorbehaltlich der Revision 
im ordentlichen Wege der Gesetzgebung verkündigte und von beiden 
Kammern Unseres Königreichs anerkannte Verfassung des Preußischen 
Staats der darin angeordneten Revision unterworfen ist, die Ver- 
fassung in Uebereinstimmung. mit beiden Kammern endgültig festgesetzt 
haben. 
Wir verkünden demnach dieselbe als Staatsgrundgesetz, wie folgt: 
A. Die lediglich von den regierenden Fürsten gebrauchte Bezeichnung „von Gottes Gnaden“ 
(dei gratia) ist eine Erinnerung an eine Zeit, welche das unumschränkte Recht der 
Alleinherrschaft als unmittelbar göttliche Einsetzung feierte. Gott selbst, so sagt 
Bossuet in seiner Politique tire des propres paroles de la sainte écriture, Gott 
selbst hat über sein auserwähltes Volk mit sichtbaren Zeichen als König geherrscht, 
bis er Saul und David durch Samuel salbte und die Herrschaft im Hause Davids 
befestigte. Das Königthum ist geheiligt, denn der König ist der Statthalter Gottes; 
es ist unumschränkt, denn der König schuldet Niemandem Rechenschaft als Gott selbst. 
Die Moajestät des Königthums ist die Nachbildung und der Abglanz der Mojestät 
Gottes. Der König ist der Staat. Nur wer dem König dient, dient dem Staat, der 
Feind des Königs ist zugleich ein Feind des Staats, Jeder muß freudig für den König 
sein Leben opfern. Dagegen für den Mangel an Ehrfurcht, Treue und Gehorsam giebt 
es keine Entschuldigung, keinen Vorwand, nicht einmal die Gottlosigkeit oder Grau- 
samkeit des Königs. Auch nach Stahl ist die Gewalt des Königs ein „göttliches Recht", 
ruht das Ansehen des Herrschers „nicht bloß auf einem allgemeinen Gebot und Ord- 
nung Gottes, wie bei aller Obrigkeit, sondern zugleich auch noch auf einer speciellen 
Veranstaltung Gottes“ (Philosophie des Rechts, zweite Aufl., Band II., Abth. II., § 71). 
Wie es Friedrich Wilhelm IV. in seiner Eidesrede vom 6. Februar 1850 (oben S. 30) 
ausdrückte: „Ich regiere nicht, weil es also Mein Wohlgefallen ist, Gott weiß es! sondern 
weil es Gottes Ordnung ist.“ 
In diesem theokratischen Sinne ist die Bezeichnung für das Staatsrecht nicht ver- 
wendbar. Daher darf ihr im Eingang der Verfassungsurkunde, wenn überhaupt eine 
Bedeutung, nur die unterstellt werden, daß sie die Selbstständigkeit und Ursprünglich- 
keit des'monarchischen Rechts, im Gegensatz zu allen abgeleiteten Beamtenrechten, sowie 
die persönliche Unverantwortlichkeit des Königs ausdrückt.
	        
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