I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 5. 57
und dasselbe zu erhalten. entspricht zwar keine Pflicht der Staatsregierung, das Amt dem
Bewerber zu verleihen, indem dieselbe befugt ist, jeden Bewerber, obgleich seine ver-
fassungsmäßige und gesetzliche Befähigung nicht zu bezweifeln ist, dennoch zu übergehen,
dagegen ist die Staatsregierung nicht befugt, ganze Kategorien von Personen, welche
das Gesetz nicht ausschließt, ein für alle Mal für unfähig zur Erlangung von Aemtern
überhaupt oder von gewissen Aemtern zu erklären oder ohne solche ausdrückliche Er-
klärung sic doch thatsächlich auszuschließen.
Artikel 5.
Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Die Bedingungen
und Formen, unter welchen eine Beschränkung derselben, insbesondere
eine Verhaftung zulässig ist, werden durch das Gesetz bestimmt.
A. Artikel 5 findet auf das Heer nur insoweit Anwendung, als die militärischen Gesetze
und Disziplinarvorschriften nicht entgegegenstehen (Art. 39), und kann im Falle des
Belagerungszustandes, Krieges oder Aufruhrs außer Kraft gesetzt werden (Art. 111).
B. Art. 5 hat eine doppelte Richtung.
Zunächst sichert er den Schutz der Person gegen jede widerrechtliche Beeinträch-
tigung der persönlichen Freiheit von Seiten anderer Privatpersonen. Sklaverei, Leib-
eigenschaft, Hörigkeit sind innerhalb der Prenßischen Monarchie nicht gestattet. Nach
dem Gesetz, betreffend die Abänderung der im allgemeinen Landrecht Theil II Titel 5
§§ 198 u. f. enthaltenen Bestimmungen über Sklaven, vom 9. März 1857 (Ges.-Samml.
S. 160) werden Sklaven von dem Augenblicke an, in welchem sie Preußisches Gebiet
betreten, frei und ist das Eigenthum des Herrn von diesem Zeitpunkt ab erloschen.
Dieser Rechtssatz gilt, auch ohne auedrücklich gesetzt zu sein, wegen der prinzipiellen
Unstatthaftigkeit der Sklaverei in gleicher Weise in den nichtlandrechtlichen Theilen
der Monarchie. Einc Reihe partieller Beeinträchtigungen der persönlichen Freiheit ist
in dem Reichsstrafgesetzbuch mit Strafe bedroht, so in Abschn. 13 die mit Gewalt gegen
die Person verübten Sittlichkeitsverbrechen, in Abschn. 18 die Verbrechen und Vergehen
gegen die persönliche Freiheit, in Abschn. 20 Raub und Erpressung, in Abschn. 28 die
widerrechtliche Nöthigung und die Freiheitsberaubung durch einen Beamten.
Zum zweiten sichert Art. 5 den Schutz der Person gegen die widerrechtliche Be-
einträchtigung der persönlichen Freiheit von Seiten des Staates selbst, indem er befiehlt,
daß alle Beschränkungen der persönlichen Freiheit, insbesondere die Verhaftung, nach
Bedingungen und Formen gesetzlich bestimmt sein sollen.
C. Der Art. 5 hängt mit den Art. 6, 7 und 8 insofern eng zusammen, als diese vier Ar-
tikel vorzugsweise eine Ordnung des Verfahrens und der Kompetenz in der Justiz ge-
biecten. Die gerichtliche Verhaftung, so befiehlt Art. 5, und die Festnahme zum Zwecke
der gerichtlichen Verhaftung soll nicht lediglich von dem Ermessen der Behörde abhängen,
sondern nach gesetzlichen Normen erfolgen. Neben dieser Bestimmung tritt die Berück-
sichtigung der reinen, d. h. nicht den Zwecken der Kriminalrechtspflege dienenden Polizei-
verwaltung mehr in den Hintergrund. Zur Ausführung des Art. 5 und 6 ist das Ge-
setz zum Schutze der persönlichen Freiheit vom 12. Februar 1850 (Ges.-Samml. S. 45)
erfangen. Dasselbe ist später eingeführt:
in Hohenzollern durch § 1 Nr. 4 des Gesetzes über die Gerichtsorganisation, das
mündliche öffentliche Verfahren mit Geschworenen in Untersuchungssachen und das
Verfahren in Civilprozessen in den Fürstenthümern Hohenzollern-Hechingen und
Hohenzollern-Sigmaringen vom 30. April 1851 (Ges.-Samml. S. 188):
2. in der Enklave Kaulsdorf durch die Verordnung, betreffend die Einführung der
Preußischen Gesetze und die Justizverwaltung in der vormals Bayrischen Enklave
Kaulsdorf, vom 22. Mai 1867 (Ges.-Samml. S. 279)8;
3. in dem Oberamtsbezirk Meisenheim durch § 1 der Verordnung, betreffend die Ein-
führung der im Westrheinischen Theile des Regierungsbezirks Coblenz geltenden
Gesetze in dem vormals Lessen-Homburgischen Oberamte Meisenheim, vom 20. Sep-
tember 1867 (Ges.-Samml. S. 1534);
1. nur der §6 ist eingeführt in der Provinz Hannover durch § 35 Nr. 1 der Kreis-
ordnung für die Provinz Hannover vom 6. Mai 1884 (Ges- Samml. S. 181) und
in der Provinz Schleswig Holstein durch § 27 Nr. 1 der Rreisordnung für die
Provinz Schleswig= Holstein vom 26. Mai 1888 (Gesetz-Sammlung S. 139)