Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 6. 
die Wohnung, die Geschäftsränme und das befriedete Besitzthum nur bei Verfolgung 
auf frischer That oder bei Gefahr im Verzug oder dann durchsucht werden, wenn es sich 
um die Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen handelt (§ 104 Abs. 1). Diese 
Beschränkung findet keine Anwendung auf Wohnungen von Personen, welche unter 
Polizeiaufsicht stehen, sowie auf Räume, welche zur Nachtzeit Jedermann zugänglich 
oder der Polizei als Herbergen oder Versammlungsorte bestrafter Personen, als Nieder- 
lage von Sachen, welche mittels strafbarer Handlungen erlangt sind, oder als Schlupf- 
winkel des Glückspiels oder gewerbsmäßiger Unzucht bekannt sind (§ 104 Abs. 2). Die 
Nachtzeit umfaßt in dem Zeitraume vom 1. April bis 30. September die Stunden von 
9 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens und in dem Zeitraum vom I. Oktober bis 31. März 
die Stunden von 9 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens (§ 104 Abs. 3). Die Anord- 
nung von Durchsuchungen steht dem Richter, bei Gefahr im Verzuge auch der Staats- 
anwaltschaft und denjenigen Polizei= und Sicherheitsbeamten zu, welche als Hilfsbeamte 
der Staatsanwaltschaft den Anordnungen derselben Folge zu leisten haben. Wenn eine 
Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitzthums ohne 
Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn dies möglich, 
ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durch- 
suchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen 
nicht Polizei- oder Sicherheitsbeamte sein. Die vorstehenden Beschränkungen der Durch- 
suchung finden keine Anwendung auf die im § 104 Abs. 2 bezeichneten Wohnungen 
und Räume. Durchsuchungen in militärischen Dienstgebänden erfolgen durch Ersuchen 
der Militärbehörde, und auf Verlangen der Civilbehörde (Richter, Staatsanwaltschaft) 
unter deren Mitwirkung. Des Ersuchens der Militärbehörde bedarf es jedoch nicht, 
wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, welche in militärischen Dienst- 
gebäuden ausschließlich von Civilpersonen bewohnt werden (§ 105). Der Jnhaber der 
zu durchsuchenden Räume oder Gegenstände darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist 
er abwesend, so ist, wenn dies möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, 
Hausgenosse oder Nachbar zuzuziehen. Dem Znhaber oder der in dessen Abwesenheit zu- 
gezogenen Person ist in den Fällen des § 10.3 Abs. 1 der Zweck der Durchsuchung vor 
dem Beginn bekannt zu machen. Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf die In- 
haber der im § 104 Abs. 2 bezeichneten Räume (§5 106)7. Dem von der Durchsuchung 
Betroffenen ist nach deren Beendigung auf Verlangen eine schriftliche Mittheilung zu 
machen, welche den Grund der Durchsuchung — §§ 102, 103 —, sowie im Falle des § 102 
die strafbare Handlung bezeichnen muß. Auch ist demselben auf Verlangen ein Ver- 
zeichniß der in Verwahrung oder Beschlag genommenen Gegenstände, falls aber nichts 
Verdächtiges gefunden wird, eine Bescheinigung hierüber zu geben (§ 107). Werden 
bei Gelegenheit einer Durchsuchung Gegenstände gefunden, welche zwar in keiner Be- 
ziehung zu der Untersuchung stehen, aber auf die erfolgte Verübung einer anderen straf- 
baren Handlung hindeuten, so sind dieselben einstweilen in Beschlag zu nehmen (8 108). 
Die in Verwahrung oder in Beschlag genommenen Gegenstände sind genau zu ver- 
zeichnen und zur Verhütung von Verwechselungen durch amtliche Siegel oder in sonst 
geeigneter Weise kenntlich zu machen (§ 109). Eine Durchsicht der Papiere des von 
der Durchsuchung Betroffenen steht nur dem Richter zu. Andere Beamte sind zur Durchsicht 
der aufgesundenen Papiere nur dann befugt, wenn der Inhaber derselben die Durchsicht 
genehmigt. Andererseits haben sie die Papiere, deren Durchsicht sie für geboten erachten, 
in einem Umschlage, welcher in Gegenwart des Juhabers mit dem Amtssiegel zu ver- 
schließen ist, an den Richter abzuliesern. Dem Jnhaber der Papiere oder dessen Ver- 
treter ist die Beidrückung seines Siegels gestattet; auch ist er, falls demnächst die Ent- 
siegelung und Durchsicht der Papiere angeordnet wird, wenn dies möglich, aufzufordern, 
derselben beizuwohnen (§ 110 Abs. 1, 2, 3). 
Außerdem sind nach §§ 5, 6 Nr. 3 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeß= 
ordnung vom 1. Februar 1877 (Reichs-Gesetzbl. S. 316) in Kraft geblieben die prozeß- 
rechtlichen Vorschriften der Reichs= (Zollvereins= und Norddeutschen Bundes-, Gesetze und 
ebenso die landesgesetzlichen Bestimmungen über das Verfahren im Verwaltungswege 
bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben 
und Gefälle, insoweit nicht die §§ 459 bis 463 der Strafprozeßordnung abändernde 
Bestimmungen treffen. So giebt z. B. 5 126 des Vereinszollgesetzes vom 1. Juli 1869 
(Bundes-Gesetzbl. S. 317) den gollbeamten und § 54 der Ordnung zum Gesetz 
wegen Besteuerung des inländischen Branntweins, Braumalzes, Weinmostes und 
der Tabacksblätter vom 8. Febrnar 1819 (Ges.-Samml. S. 102) den Steuerbeamten 
das Recht der Haussuchung: der letzteren Bestimmung entsprechen für die Provinzen
	        
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