Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 6. 65 
Hessen-Nassau, Hannover und Schleswig-Holstein die §§ 45 resp. 18 und 12, der drei 
Verordnungen vom 11. Mai 1867 (Ges.-Samml. S. 633, 652, 661). 
Endlich ist nach § 678 der Civilprozeßordnung auch der Gerichtsvollzieher befugt, 
zum Zwecke der Vollstreckung die Wohnung des Schuldners zu durchsuchen. 
b. Das Eindringen Zwecks anderweitiger amtlicher Thätigkeit der Behörde oder 
wegen einer Gefahr für den Bewohner. 
Die Fälle der anderweitigen amtlichen Thätigkeit sind natürlich überaus zahlreich. 
Es gehören dahin z. B. die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher (Civil- 
prozeßordnung §8 678, 681), administrative Zwangsvollstreckung, Steuererhebung, Volks- 
zählung u. s. w. Abgesehen von den reichsrechtlichen Bestimmungen sind hier maß- 
gebend die insoweit noch in Kraft gebliebenen §§ 7 bis 10 des Gesetzes zum Schutze 
der persönlichen Freiheit vom 12. Februar 1850 (Ges.-Samml. S. 45). In eine Wohnung 
darf wider den Willen des Inhabers eingedrungen werden nur auf Grund einer aus 
amtlicher Eigenschaft folgenden Befugniß oder eines von einer gesetzlich dazu ermächtigten 
Behörde ertheilten Auftrags (8 7). Das Eindringen in die Wohnung während der 
Nachtzeit ist verboten, und zwar umfaßt die Nachtzeit für die Zeit vom 1. Oktober bis 
31. März die Stunden von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, für die Zeit vom 
1. April bis 30. September die Stunden von 9 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens (8 8). 
Dieses Verbot ist jedoch ein beschränktes. Denn es begreift nicht die Fälle einer Feuers- 
oder Wassersnoth, einer Lebensgefahr oder eines aus dem Innern der Wohnung her- 
vorgegangenen Ansuchens; es bezieht sich nicht auf die Orte, in welchen während der 
Nachtzeit das Publikum ohne Unterschied zugelassen wird, solange diese Orte dem 
Publikum zum ferneren Eintritt oder dem eingetretenen Publikum zum ferneren Verweilen 
geöffnet sind (§ 9). Zum Zweck der Wiederergreifung eines entsprungenen Gefangenen 
darf der verfolgende oder zugezogene Beamte, ingleichen die verfolgende oder zugezogene 
Wachtmannschaft auch zur Nachtzeit in eine Wohnung eindringen. Der Zutritt zu den 
von Militärpersonen benutzten Wohnungen darf den militärischen Vorgesetzten oder Be- 
auftragten Behufs Vollziehung dienstlicher Befehle auch zur Nachtzeit nicht versagt 
werden (8§ 10). 
2. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren. 
Ueber das Briefgeheimniß siehe Art. 33. 
Bei der Beschlagnahme von Briefen und Papieren ist zu unterscheiden zwischen 
solchen Briefen und Papieren, welche sich bei dem Beschuldigten oder einem Dritten, und 
solchen Briefen und Telegrammen, welche sich auf der Post bezw. auf der Telegraphen- 
anstalt befinden. 
Die erstere Beschlagnahme regeln die 88 94 bis 98 der Strafprozeßordnung. 
Briefe und Papiere, welche als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein 
können oder der Einziehung unterliegen, sind in Beschlag zu nehmen, wenn sie sich in 
dem Gewahrsam einer Person befinden und nicht gutwillig herausgegeben werden (8 94). 
Der Inhaber kann, wofern er nicht zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist, 
durch die gegen renitente Zeugen zulässigen Zwangsmittel zur Vorlegung und Aus- 
lieferung angehalten werden (§ 95). Schriftliche Mittheilungen zwischen dem Be- 
schuldigten und denjenigen Personen, welche zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt 
sind, unterliegen der Beschlagnahme nicht, falls sie sich in den Händen der letzteren 
Personen befinden, und diese nicht einer Theilnahme, Begünstigung oder Hehlerei ver- 
dächtig sind (§ 97). Die Anordnung von Beschlagnahmen steht dem Richter, bei Gefahr 
im Verzuge auch der Staatsanwaltschaft und denjenigen Polizei= und Scherhertebeamten 
zu, welche als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft den Anordnungen derselben Folge zu 
leisten haben. Ist die Beschlagnahme ohne richterliche Anordnung erfolgt, so soll der 
Beamte, welcher die Beschlagnahme angeordnet hat, binnen drei Tagen die richterliche 
Bestätigung nachsuchen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch 
ein erwachsener Angehöriger anwesend war, oder wenn der Betroffene und im Falle 
seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger desselben gegen die Beschlagnahme aus- 
drücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die richterliche Ent- 
scheidung nachsuchen. Solange die öffentliche Klage noch nicht erhoben ist, erfolgt die 
Entscheidung durch den Amtsrichter, in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden 
hat. Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die Staatsanwalt- 
schaft oder einen Polizei= oder Sicherheitsbeamten erfolgt, so ist binnen drei Tagen dem 
Richter von der Beschlagnahme Anzeige zu machen, und sind demselben die in Beschlag 
genommenen Gegenstände zur Verfügung zu stellen. Beschlagnahmen in militärischen 
Schwaryp, Preußische Verfassungsurkunde. 5 
 
	        
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