Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 9. 
Wenn die neuere Gesetzgebung Vorschriften über die Zwangsgewalt einzelner Verwaltungs- 
stellen giebt, so werden dadurch keine neuen Befugnisse beigelegt, vielmehr wird damit 
ein doppelter Zweck verfolgt. Einmal nämlich sollen den Behörden die täglich vor- 
kommenden Fälle eines Zwangsverfahrens zur Erledigung auf eigene Verantwortung 
ohne Rückfrage bei der Oberbehörde überlassen bleiben. Sodann sollen die Unterthanen 
durch feste Begrenzung des Maßes der anzudrohenden Zwangsmittel gegen ein hartes 
und gewaltthätiges Zwangsverfahren geschützt werden. Die Exekutivstrafen fallen daher 
nicht unter Art. 8. 
Dagegen ist dies allerdings der Fall mit den Strafverfügungen der Polizei- 
behörden wegen Uebertretungen und den Strafbescheiden der Verwaltungsbehörden wegen 
Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und 
Gefälle. Diese Verscgumngen und Bescheide dürfen nur in Gemäßheit des Gesetzes er- 
lassen werden. 
Die Befugniß der Polizcibehörden, eine Strafe durch Verfügung festzusetzen, ist 
einheitlich geregelt durch die §8§ 453 bis 458 der Strafprozeßordnung, das Gesetz, be- 
treffend den Erlaß polizeilicher Strafverfügungen wegen Uebertretungen, vom 23. April 18383 
(Ges.-Samml. S. 65) und die Anweisung vom 8. Juni 1883 zur Ausführung des Gesetzes 
vom 23. April 1883, betreffend den Erlaß polizcilicher Strafverfügungen wegen Uleber- 
tretungen (Just.-Minist.-Bl. S. 223, Verwalt.-Minist.-Bl. S. 152). Hiernach ist, wer die 
Polizeiverwaltung in einem bestimmten Bezirke auszuüben hat, befugt, wegen der in diesem 
Bezirke verübten, in seinen Verwaltungsbereich fallenden Uebertretungen die Strafe durch 
Verfügungen festzusetzen, sowie eine etwa verwirkte Einziehung zu verhängen. Die polizeiliche 
Strafverfügung ist auch gegen Beschuldigte im Alter von 12 bis 18 Jahren zulässig. Wird 
Geldstrafe festgesetzt, so ist zugleich die für den Fall des Unvermögens an die Stelle der 
Geldstrafe tretende Haft zu bestimmen. Die festzusetzende Geldstrafe darf den Betrag 
von dreißig Mark, die Haft, auch wenn sie an die Stelle einer beizutreibenden Geldstrafe 
tritt, die Dauer von drei Tagen nicht überschreiten. Erachtet der Polizeiverwalter eine 
höhere Strafe für gerechtfertigt, so muß die Verfolgung dem Amtsanwalte überlassen 
bleiben. Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen einer Woche nach der 
Bekanntmachung in Gemäßheit der Strafprozeßordnung auf gerichtliche Entscheidung 
antragen. Ist er noch im Alter von 12 bis 18 Jahren, so steht dies Recht seinem ge- 
setzlichen Vertreter zu. In Betreff der Unterbrechung der Verjährung wirkt die Straf- 
  
verfügung wie eine richterliche Handlung. 
Ist gesetzlich die Verwaltung der Polizei für einzelne Gegenstände, wie die der 
Hafen--, Strom= und Schifffahrtspolizei, die Deich-, Eisenbahn= und Chausseepolizei, nicht 
der Polizeibehörde des Orts, sondern einer besonderen Behörde übertragen, so gebührt 
nur dieser die Befugniß zur Strafverfügung wegen der innerhalb ihres Bezirks be- 
gangenen Uebertretungen derjenigen Strafvorschriften, welche die ihr übertragene be- 
sondere Polizeiverwaltung betreffen. 
Ausgeschlossen von der polizeilichen Strafverfügung sind diejenigen Uebertretungen, 
für welche die Rheinschifffahrts-, die Elbzoll- und die Gewerbegerichte zuständig sind; die 
Uebertretung der Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben oder Gefälle, be- 
züglich deren die Steuerbehörden zum Erlaß von Strafbescheiden befugt sind (Straf- 
prozeßordnung 88 459 bis 469); die der bergpolizeilichen Vorschriften, welche durch § 209 
des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juli 1865 (Ges.-Samml. S. 705) von dem ad- 
ministrativen Strafverfahren ausgeschlossen sind; endlich die des Forstdiebstahlsgesetzes 
vom 15. April 1878 (Ges.-Samml. S. 221), da die in diesem angedrohte Freiheitsstrafe, 
auch wenn sie nur an die Stelle einer Geldstrafe tritt, nicht in Haft, sondern in Ge- 
fängniß besteht. 
Artikel 9. 
Das Eigenthum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen 
des öffentlichen Wohles gegen vorgängige, in dringenden Fällen we- 
nigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des 
Gesetzes entzogen oder beschränkt werden. 
A. Der Staat soll den Eigenthümer nicht bloß gegen rechtswidrige Handlungen oder Unter- 
lassungen Dritter schützen, sondern auch sich selbst jeden nicht durch Gründe des öffent- 
lichen Wohls geforderten Eingriffes in das Eigenthum enthalten und, wenn jene Gründe
	        
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