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Es ist indessen nicht ausgeschlossen, dass ausnahmsweise
sogar einzelne Personen als Partei in einem Verfassungsstreite
auftreten können. Ihnen wird insbesondere dann die Berech-
tigung zur Erhebung des Streites nicht abgesprochen werden
dürfen, wenn entweder eine Volksvertretung überhaupt nicht
mehr vorhanden ist, oder wenn diese „als das zur Wahrung
und Handhabung der Verfassung berufene Organ“ an der
Wahrnehmung dieser Rechte behindert wird. Man darf nicht
annehmen, es liege im Sinne des Gesetzes, dass in Fällen,
wo zweifellos Verfassungsstreitigkeiten bestehen, so bei einer
Beseitigung der Volksvertretung, bei Nichteinberufung oder
Vertagung derselben, bei einer Beseitigung der Verfassung,
die Rechtsverfolgung lediglich deshalb ausgeschlossen sein
solle, weil die Volksvertretung als das einzige zur Erhebung
des Streites legitimierte Organ, zur Wahrnehmung dieses ihr
zustehenden Rechtes ausser Stande ist. Wie überall im Rechts-
leben, so gilt auch hier der Grundsatz, dass die Verfolgung
eines Rechtes unter allen Umständen gewährleistet werden soll.
Auch allgemeine Erwägungen führen zum gleichen Re-
sultat: dass nämlich in besonderen Fällen einzelnen Staats-
angehörigen das Recht zusteht, als Partei in einem Verfassungs-
streite aufzutreten. Die Volksvertretung — der Landtag —
besteht aus vom Volke gewählten Abgeordneten. Sollten nun
diese für eine bestimmte Zeit gewählten Vertreter aus recht-
lichen oder tatsächlichen Gründen zeitweise oder dauernd an
der Ausübung der ihnen vom Volke übertragenen Rechte be-
hindert sein, so muss dem Volke die Befugnis bleiben, jene
Rechte auf andere zu übertragen, wobei es als nicht unbedingt
erforderlich erscheint, dass die Zahl der Vertreter stets die
gleiche bleibt; die Mitgliederzahl der Volksvertretung kann auf
ein Minimum beschränkt werden, vorausgesetzt natürlich, dass
der ursprüngliche Wahlmodus unmöglich geworden ist. Jeden-
falls muss, wie die Regierung, so auch das Volk im Streite
vertreten sein. Wenn nun ohne Schuld des Volkes eine gesetz-
und verfassungsmässige Vertretung desselben nicht vorhanden
ist, so nehme ich keinen Anstand, jedem einzelnen als gewill-
kürten oder gewollten Vertreter des Volkes die Befugnis zu-