Full text: Die Zuständigkeit des deutschen Bundesrates für Erledigung von Verfassungs- und Thronfolgestreitigkeiten.

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zuerkennen, gegenüber der Regierung die Rechte desselben 
wahrzunehmen. 
Diese Ausnahme ändert jedoch nichts an der Regel, dass, 
wie früher, so auch heute als Parteien bei einer Verfassungs- 
streitigkeit nur die Regierung auf der einen und die Volks- 
vertretung auf der anderen Seite zugelassen sind.16) Es folgt 
dies, wie aus der Entstehungsgeschichte des Artikels 76, so 
daraus, dass alle deutschen Landesverfassungen, welche den 
Begriff der Verfassungsstreitigkeit kennen, darunter eine Streitig- 
keit zwischen Regierung und Volksvertretung verstehen. Der 
Bundesrat hat gleichfalls diese Ansicht vertreten bei Entscheidung 
des folgenden Falles: „Der Magistrat der Stadt Rostock wandte 
sich im Jahre 1874 mit der Beschwerde an den Bundesrat, 
dass ein von den verfassungsmässigen Faktoren vereinbartes 
Gesetz der Landesverfassung nicht entspreche. Der Bundes- 
rat wies diese Beschwerde zurück, „da sie eine Verfassungs- 
streitigkeit im Sinne des Artikel 76 Abs. 2 der Reichsverfassung 
überhaupt nicht begründe.«17%) Diese Entscheidung recht- 
fertigt ausser dem vorerwähnten folgende Schlüsse. Einmal 
durch argumentum i contrario den, dass nur die Volks- 
vertretung oder die Regierung — nicht ein anderes Organ, 
wie z. B. der Magistrat einer Stadt — das zur Erhebung des 
Streites legitimierte Organ sei. Sodann den, dass nicht jede 
Behauptung, ein Gesetzgebungs- oder Verwaltungsakt einer 
Bundesregierung sei verfassungswidrig, einen Verfassungsstreit 
begründe. 
Der Art. 1 des Bundesbeschlusses vom 30. Oktober 1834 
spricht von Verfassungsstreitigkeiten als von „Streitigkeiten 
über die Auslegung der Verfassung oder über die Grenzen 
der bei Ausübung bestimmter Rechte des Regenten den 
Ständen eingeräumten Mitwirkung.“ 
. Im allgemeinen. pflegt man die hier erwähnten Fälle als 
Verfassungsstreitigkeiten im engeren Sinne zu bezeichnen, indem 
  
16) Vgl. übereinstimmend Meyer, Staatsrecht S. 712; v.Seydel, Kom- 
mentar S. 407; Arndt, Kommentar S. 321; Haenel, Staatsrecht I S. 368 usw. 
17T) Diesen Fall erwähnt Laband, Staatsrecht I S. 250 Anm. 2.
	        
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