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man sich nicht denken. Während man sonst die Benutzung
der Verkehrsmittel einfacher und bequemer macht, stellen sich
nach diesem Gesetze den verschiedensten Geschäftsoperationen
Steuerbeamte in den Weg und verlangen einen Beitrag ähnlich
den Reisigen in früheren Jahrhunderten, als Wegelagerer vom
Kaufmannsstande einen Zoll erhoben, ohne irgendwelche Gegen-
leistung für Handel und Verkehr. Man soll Steuern erheben
vom Einkommen, man kann Steuern vom Verbrauch erheben;
aber falsch ist es, Geschäfte zu besteuern, die erst ein Ein-
kommen schaffen sollen, vielleicht aber einen Verlust bringen.
Ich bin ein grundsätzlicher Gegner von Umsatzsteuern“.
Darauf erwiderte der Abgeordnete Meyer: „In Bezug auf
die Berechtigung der Umsatzsteuern bin ich durchaus anderer
Ansicht wie Herr Richter. Man kommt heutzutage leicht in
den Verdacht, man sei umgesattelt, wenn man eine Ansicht
äussert, die von derjenigen abweicht die erwartet worden ist.
Ich halte die Umsatzsteuer an sich für gerechtfertigt und lasse
mich nicht mit dem Einwande abspeisen, man solle den Ge-
winn erst besteuern, wenn er gemacht ist, nicht aber schon
den Versuch, einen Gewinn zu machen. Wer es versucht einen
Gewinn zu machen, hat mancherlei Ausgaben zu machen,
Opfer an Zeit und Briefporto; aber kein Mensch kommt auf den
Gedanken, dass das Porto nur für solche Briefe gezahlt werde, die
etwas einbringen. Warum soll man nicht eine Gebühr zahlen
für die Berechtigung ein Geschäft zu machen; also die Umsatz-
steuer ist wirthschaftlich wohl berechtigt, und meines Wissens
hat kein Land diese Steuern nicht.“
In der That hätte der Abgeordnete Richter mit den-
selben Argumenten die Berechtigung, einen Tarif überhaupt
einzuheben, bestreiten zu können. Vergebens wies der Staats-
sekretär Dr. Graf von Posadowsky darauf hin, dass auch in
England, Frankreich und Oesterreich die Frachtpapiere mit
einem Stempel belegt sind, dass also die Aufnahme des Fracht-
briefstempels in die deutsche Gesetzgebung keineswegs eine
besondere gesetzgeberische Anomalie bilde. Gegenüber dem
französischen Frachtbriefstempel von 70 cents. könne die beab-