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Budget präliminirten Beträge in keinem einzigen Jahre das
Erforderniss deckten. Zieht man z. B. das Schlussrechnungs-
resultat der Jahre 1890 bis 1894 in Betracht, so sieht man,
dass für die Investitionen der Staatsbahnen 26'/), Millionen
Gulden präliminirt wurden, während die faktischen Ausgaben
60'/, Millionen Gulden, also um 34 Millionen Gulden mehr be-
trugen.
Dieser Entwickelung steht die Finanzverwaltung machtlos
gegenüber, ja es wird ihr direkt die Berechtigung abgesprochen,
auf die Eisenbahnverwaltung einen weitergehenden Einfluss zu
nehmen. Ein Eisenbahnfachmann hat diesen Zustand mit fol-
genden die Sachlage treffend charakterisirenden Worten ge-
kennzeichnet: „Der heutige Zustand, dass die Finanzverwal-
tung in alle Einzelheiten des technischen Betriebes hineinredet
und über die Ausführung jeder vorgeschlagenen Betriebsver-
besserung lediglich nach fiskalischen Gesichtspunkten das ent-
scheidende Wort sprechen darf, ist unhaltbar. Was soll man
dazu sagen, dass die Finanzverwaltung sich ein Urtheil
darüber zutraut, ob auf bestimmten Strecken zu viel oder
zu wenig Schnellzüge fahren, ob sich die Einrichtung von
Schlafwagenzügen lohnt, ob Tarife erhöht oder ermässigt werden,
ob neues Betriebsmaterial angeschafft werden muss? Das sind
alles rein technische Fragen, über die allein die staatlichen
Betriebsbehörden zu entscheiden und mit ihrer Verantwortlich-
keit einzustehen haben, für deren Beurtheilung der Finanz-
verwaltung die technischen Kräfte und damit die Fähigkeit
und Zuständigkeit fehlt“!).
Diese Erwägungen, denen eine genaue Kenntniss der Be-
dingungen des Eisenbahnbetriebes nicht abgesprochen werden
kann, stellen uns vor ein Problem, welches darin besteht, solche
Voraussetzungen zu schaffen, welche dem Fiskus unabhängig
von den schwankenden Erträgnissen der Eisenbahnverwaltung
eine bestimmte Einnahme aus dem Eisenbahnwesen sichern.
Ein Versuch, diese Frage in grundsätzlicher Weise zu
1) Kölnische Zeitung 1896, Nr. 197.