Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

HDas deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 15). 71 
Gottes Gnaden, Wir, Wilhelm, Herkog zu Braunschweig und Lüneburg 2c. 
erlassen zur Ergänzung der Landesverfassung mit Zustimmung der Landes- 
versammlung das nachfolgende Gesetz: 8. 1. Um bei künftig eintretenden 
Thronerledigungen die dersassungsmahige Verwaltung des Herzogthums gegen 
Störungen in den Fällen zu sichern, daß der erbberechtigte Thronfolger am 
sofortigen Regierungsantritt irgendwie verhindert sein sollte, wird das Landes- 
grundgesetz vom 12. Oct. 1832 durch nachfolgende Bestimmungen ergänzt: 
§. 2. In den in §. 1 bezeichneten Behinderungsfällen soll, insofern nicht so- 
ork nach der Thronerledigung ein brechtigter Regent die Regierungsver- 
wesung nach Maßgabe der im §. 20 des Landesgrundgesetzes enthaltenen Be- 
stimmung antritt, eine provisorische Regierung des Landes durch einen 
„Regentschaftsrath“ eintreten, welcher letztere aus den stimmführenden Mit- 
gliedern des herzoglichen Staatsministeriums, dem Präsidenten der Landes- 
versammlung und dem Präsidenten des Obergerichts (künftig des Oberlandes- 
gerichts) besteht. Als Präsident der Landesversammlung gilt für berufen 
der Präsident des letzten Landtages vor der Thronerledigung bis zu einer 
Neuwahl desselben — falls aber der Landtag zur Zeit der Thronerledigung 
in Function sein sollte, der Präsident der tagenden Landesversammlung. Bei 
eintretenden Behinderungen von längerer Dauer fungiren für die genannten 
Präsidenten deren Vertreter, die Vicepräsidenten, über deren Bernfung der 
Regentschaftsrath beschließt. §. 3. Liegt nach Ansicht des herzoglichen Staats- 
ministeriums der in den §§. 1 und 2 vorgesehene Fall vor, so hat dasselbe 
die Mitglieder des Regentschaftsraths behufs Constituirung des lehzteren ein- 
zuberufen. Die Constikuirung gilt als erfolgt, wenn die Mehrzahl der sämmt- 
lichen Mitglieder sich für dieselbe erklärt. Der Regentschaftsrath hat seine 
Constituirung durch die „Geset= und Verordnungssammlung“ und die „Braun- 
schweigischen Anzeigen“ zur öffentlichen Kenntuiß zu bringen und unvergzüg- 
lich die Landesversammlung behufs verfassungsmäßiger Mitwirkung bezüglich 
der durch die obwaltenden Umstände eiwa weiter gebolenen Schritte einzu- 
berufen. Das nach §. 113 Nr. 1 des Landesgrundgesehzes der Landesver- 
sammlung zustehende Convocationsrecht bleibt vorbehalten. §. 4. Der Negent- 
schaftsrath führt die Regierung mit allen Rechten und Pflichten einer Re- 
gierungsvormundschaft oder Regierungsverwesung — übt jedoch 1) das Recht 
der verfassungsmäßigen Gesetzgebung mit der Beschränkung, daß Verfassungs- 
änderungen während der Dauer der provisorischen Regierung nicht stattfinden 
sollen — wird auch 2) Orden und solche Titel, welche nicht mit einem ver- 
liehenen Amte nach Ueblichkeit verbunden sind, nicht verleihen. Der Negent- 
schaftsrath wird 3) an Se. Majestät den Kaiser das erforderliche Ersuchen 
zu dem Zweck richten, damit das Verhältniß Braunschweigs zum Reiche, 
namentlich das Stimmrecht im Bundesrath für die Dauer der durch den 
Regentschaftsrath geführten provisorischen Regierung in einer der Reichsver- 
sassung entsprechenden Weise geordnet werde. Derselbe wird insbesondere 
4) Se. Majestät den Kaiser und Bundesfeldherrn ersuchen, über die Ansüb- 
ung der dem Landesfürsten verbliebenen militärischen Hohheitsrechte während 
der Dauer der provisorischen Regierungsverwesung die von ihm für erforder- 
lich erachteten Anordnungen zu treffen. 5) Sollte in Folge des Ausscheidens 
eines stimmführenden Mitgliedes des herzoglichen Staatsministeriums die 
Berufung eines stimmführenden Mitgliedes des herzoglichen Staatsministeriums 
erforderlich werden, so geschieht solche durch den Regentschaftsrath für die 
Dauer der provisorischen Landesverwesung unter gleichzeitiger Regelung der 
Gehalts= und eventuellen Pensionsverhältnisse des Berufenen. 6) Die für 
den Bedarf des Landesfürsten verfassungs= und vertragsmäßig vom Reiner= 
trag des Kammerguts abzuführende Summe 2c. wird fortgezahlt, und der 
Regentschaftsrath bestimmt über deren Verwendung mit thunlichster Berück- 
  
  
  
  
  
  
 
	        
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