— 1% —
Zur Lehre vom Öffentlichen Rechtsgeschäft.
Von
Privatdozent Dr. HAns KELSEN, Wien.
(Schluß.)
Ill. Kapitel.
Anders freilich gestaltet sich das Bild, wenn man den Staat
nicht als der Rechtsordnung unterworfenes Subjekt von Pflichten
und Rechten ins Auge faßt, als welcher er ja ausschließlich und
allein für die herrschende materielle Auffassung des Rechtsver-
hältnisses in Betracht kommt, sondern wenn man den Staat
als Träger der Rechtsordnung begreift, als Subjekt des ver-
pflichtenden und berechtigenden Willens, dem für die juristische
Betrachtung alle übrigen Subjekte — bildlich gedacht — unter-
geordnet sind; wenn man den Staat nicht als Rechtssubjekt,
sondern als Rechtsautorität (d.h. als Rechtsordnung) voraussetzt
und nun das Verhältnis der Rechtssubjekte zu diesem Staat, d.h.
hier: zur Rechtsordnung betrachtet. Diese formale Relation
ist stets ein Ueber- und Unterordnungsverhältnis, allein diese
formale Relation ist stets und immer gegeben, so oft eine Pflicht
oder ein Recht vorliegt. In diesem formalen Sinne ist jedes
Rechtsverhältnis, weil ein Verhältnis zur Rechtsordnung, ein
Ueber- und Unterordnungsverhältnis nämlich zwischen der
Rechtsordnung, der verpflichtenden und berechtigen-