Die Strafgesetznovelle (1876). 151
cher bestimmte, daß schon die Aufforderung zu Verbrechen oder die Annahme einer sol-
chen Aufforderung oder das Erbieten zur Begehung oder Teilnahme an einem Ver-
brechen mit Strafe belegt werden solle. In der zweiten Lesung, am 27. Jannar 1876,
wurde dieser Paragraph mit 141 gegen 133 Stimmen angenommen. Am nämlichen
Tage fand nach langen Kommissionsberatungen mit 59 Stimmen Mehrheit der
sogenannte Arnim-Paragraph Annahme, so genannt nach dem später zu erwäh-
neuden Konflikt des Fürsten Bismarck mit Arnim und nach dem gegen Arnim durch-
geführten Strasprozeß. Dieser Paragraph bestimmte, daß mit Gefängnis oder mit
Geldstrase bis zu 5000 Mark bestraft werden solle: „ein Beamter des Auswärtigen
Amtes, welcher amtliche Schriftstücke, Justruktionen 2c. widerrechtlich anderen mitteilt,
sowie ein Diplomat, der vorsätzlich den ihm erteilten Anweisungen zuwiderhandelt
oder seine Vorgesetzten durch falsche Berichte irreführt". Fürst Bismarck hatte diesen
Paragraphen geradezu als unentbehrlich bezeichnet, „um sein Amt als auswärtiger
Minister tragen zu können. Mit der bloßen Disziplinarbefugnis, ohne Verschärfung
der Disziplin durch Beihilfe strafrechtlicher Bestimmungen von Art der vorgeschlagenen
kann ich mich nicht begnügen. Paßt es Ihnen nicht in die juristische Fassade, so paßt
es mir nicht in die Möglichkeit, die auswärtigen Geschäfte zu führen.“ Zu diesen
neuen Paragraphen, welche der Regierung bewilligt wurden, gehört weiter die Be-
strafung von Vergehen gegen befreundete Regierungen oder deren Landes-
herren, sofern von der geschädigten Seite Strafantrag gestellt und die Gegenseitigkeit
gewährleistet wird. Endlich bewilligte der Reichstag in der Schlußabstimmung am
10. Februar 1876 der Regierung auf Antrag Völks auch noch den sogenaunten
„verstärkten Kanzelparagraphen“, d. h. die Ausdehnung der Strafen des
Kanzelmißbrauchs auf die Verösfentlichung von Hirtenbriefen und anderen kirchlichen
Schriststücken strasbaren Inhaltes, und auf Geistliche überhaupt, „welche in Aus-
übung ihres Berufes oder öffentlich Angelegenheiten des Staates in einer den
össentlichen Frieden gefährdenden Weise erörtern“.
Damit sind jedoch diejenigen Punkte des Entwurfes der Strafgesetzuovelle er-
schöpft, betreffs deren Bundesrat und Volksvertretung übereinstimmten. Der preußische
Minister des Jnnern, Graf Eulenburg, und Fürst Bismarck suchten bei diesem Aulaß
schärsere Wassen gegen die aushetzende und untergrabende Thätigkeit der deutschen
Sozialdemokratie in die Hand zu bekommen und hatten zu diesem Zwecke, in Abände-
rung der §§ 130 und 131 des Reichsstrasgesetzbuchs, mit Zustimmung des Bundes-
rates vorgeschlagen, eine strenge Bestrasung „der öffentlichen Angrifse gegen die In-
stitute der Ehe, der Familie und des Eigentums“ eintreten zu lassen. Nicht minder
sollten Schmähungen der Behörden, der Staatsgewalt, des Reiches, der einzelnen
Bundesstaaten, der Gesetze und Verordnungen auch schon dann strasbar sein, wenn
der Angeklagte nicht wider besseres Wissen oder unter wissentlicher Entstellung der
Thatsachen handelte. Ferner war die Strafdrohung der Aufreizung zu strafbaren
Handlungen und gegen geheime Gesellschaften oder solche Gesellschaften, welche den
Gehorsam gegen unbekannte Obere fordern oder angeloben, wesentlich verschärft. Der
Reichstag vermochte damals auf keiner dieser Bahnen der Negierung zu folgen, so