Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band.

332 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts. 
standteile enthalten seien — auch diese dem jus gentium zurechnete, wie z. B. die Sklaverei 
(Ulpian: D. 1, 1, 4; Florentinus: 1, 5, 4, 1; Tryphoninus: 12, 6, 64), die Stipulation, ab- 
gesehen von der sponsio (Gaius III 93), die Akzeptilation (Ulpian: D 46, 4, 8, 4). Immer aber 
bleibt es dabei, daß ius gentium ein ebenso für Bürger wie für Fremde geltendes Recht ist, 
nicht etwa ein besonderes Recht des internationalen Verkehrs. Zum ius gentium zählen u. a. 
die auf die naturalis ratio zurückgeführten Eigentumserwerbsarten (Gai. II 65—79; vgl. Gai.: 
D. 41, 1, 1 pr.), die Rechtsverbindlichkeit der formlosen obligatorischen Verträge (Gai. III 132; 
Ulp. fr. Vindob. 1, 2; Paul.: D. 12, 1, 1, 2), die condictio sine causa (Marcian.: D 25, 2, 25) 2, 
das Verbot der Ehe zwischen Aszendenten und Deszendenten (Paul.: D. 23, 2, 68), der Rechts- 
satz, daß das Kind solcher, inter qguos non est conubium, und ebenso das Kind einer Sklavin 
der Mutter folgt (Gai. 1 78, 82), usw. Auch, wo zwischen den verschiedenen Völkern Differenzen 
in der Einzelausgestaltung eines Rechtsinstituts bestehen, hindert dies nicht die Einbeziehung 
in das jus gentium; z. B. ist dies bei der manumissio (Ulp.: D. 1, 1, 4) und der tutela impuberum 
(Gai. 1 189) der Fall — doch finden sich hier begreiflicherweise Schwankungen (vgl. hinsichtlich 
der Tutel: lsidor. orig. V 9, 1). Schon diese Ubersicht zeigt, daß manche Institute und Sätze 
des jus gentium uralte Bestandteile des römischen Rechtes sind, wie z. B. die Anerkennung 
von Okkupation und auch Tradition oder das erwähnte Eheverbot. Anderes ist gewiß weit 
jünger und hat sich in der Praxis vielleicht erst der letzten republikanischen Jahrhunderte all- 
mählich entwickelt und befestigt, so z. B. die Klagbarkeit der Konsensualverträge. Daß hierbei 
die Praxis des Fremdenprozesses in manchem vorangegangen ist, ist wahrscheinlich, aber nicht über- 
liefert, und nur so viel kann man sagen, daß, was man einmal als ius gentium erkannt zu haben 
glaubte, notwendig auch Anwendung im Fremdenrecht finden mußte. 
IV. Volk und Nat.] 
§ 1##. Die eigentliche souveräne Gewalt ist in Rom während der ganzen Zeit der 
Republik stets beim Volke gewesen und von ihm unmittelbar in Volksversammlungen, 
comitia, ausgeübt worden. Von einer Repräsentativverfassung, ja nur einer Hinneigung dazu 
findet sich nicht die geringste Spur. Selbst Cicero bei seinen philosophischen Betrachtungen 
über Staatsverfassung und Gesetzgebung kommt nie auf diesen Gedanken. Doch hätte er bei 
der Ausdehnung des Bürgerrechts auf ganz Italien nahe genug gelegen. Ein Stimmrecht, zu 
dessen Ausübung ganze Städte hunderte von Meilen reisen mußten, war doch in der Tat eine 
vollständige Ironie des Stimmrechts, eine reine Fiktion. Der nächste Grund der auffallenden 
Erscheinung lag offenbar in der altrömischen Identität von Stadt und Staat. Die Stadt war 
es, die die Welt erobert hatte, die Stadt sollte ihre Herrin bleiben. Nur durch die Fiktion des 
städtischen Bürgerrechts konnten andere Städte an ihrer Herrschaft teilnehmen, und wenn dabei 
ihr Einfluß faktisch um so geringer wurde, je weiter sie entfernt lagen, so war das den Macht- 
habern in Rom nur um so lieber. Eine Repräsentation hätte die anderen Städte Rom gleich- 
gestellt und damit die ganze Nationaltradition gebrochen. Indessen hätte dieser Umstand gerade 
ein Streben nach Repräsentation bei den anderen Städten hervorrufen müssen; aber auch 
davon finden wir nichts. Der tiefere Grund ist daher wohl in der ganzen antiken Anschauung 
zu suchen, daß der Staat nicht ein idealer Organismus ist, sondern direkt in der Gesamtheit der 
freien Bürger besteht, daß daher eine freie Verfassung die oberste Entscheidung in allen Staats- 
angelegenheiten notwendig unmittelbar in die Hand des souveränen Volkes selber legen muß. 
Die Regierung zu führen war natürlich die Volksversammlung außerstande; sie lag verfassungs- 
mäßig in den Händen der Beamten, tatsächlich des Senates. Aber ihn kann man nicht als eine 
Volksvertretung ansehen; er ist nur der Ausschuß des herrschenden Amtsadels und der haupt- 
städtischen Gesellschaft. Denn nach der späteren Übung (§ 22) ermöglicht tatsächlich nur die 
Bekleidung eines städtischen Ehrenamtes den Eintritt, wenn auch eine große Menge der Senatoren 
aus den Landstädten stammt: quotus enim quisque nostrum (e municipüs) non est, fragt 
Cicero (Phil. 3, 6, 15). 
2„ Diese Stellen für interpoliert anzusehen — Perozzi, l. c. p. 73 n. 3 —, sehe ich keinen 
ausreichenden Grund. 
: Auch die Echtheit dieser Stelle wird von Perozzi p. 71 angezweifelt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.