Das neue Oesterreich. 13
regiert, die alte ständische Verwaltung schleppt sich gemächlich dahin in
ihren verlebten Formen. Niemand denkt an die Ausbildung einer ge—
ordneten Regierungsgewalt, an die Pflege des Wohlstandes und der
Bildung, an alle jene unscheinbar großen Aufgaben der inneren Politik,
welche einem gesunden weltlichen Staate den besten Inhalt des Lebens
bilden. Jahrhunderte lang hat die Geschichte Oesterreichs neben zahl—
reichen fähigen Feldherren und Diplomaten kein einziges Talent der Ver—
waltung aufzuweisen. Erst unter Maria Theresia entsinnt sich die Krone
wieder der nächsten Pflichten der Monarchie.
Indessen zeigte jene staatenbildende Kraft der neuen Geschichte, die
überall zur festen Abrundung der Staatsgebiete drängte, auch in dem
bunten Ländergemisch der habsburg-burgundischen Erbschaft ihre Wirk—
samkeit. Unter Leopold I. wird Ungarn erobert, die Stephanskrone erb—
lich dem Hause Oesterreich übertragen. Damit beginnt die Geschichte der
neuen österreichischen Großmacht, wie gleichzeitig mit dem Großen Kur—
fürsten die neue deutsche Geschichte. Der Hausbesitz der Habsburger wird
zur geographischen Einheit; das Donaureich findet den Schwerpunkt seiner
militärischen Macht in Ungarns kriegerischen Völkern. Starke wirth-
schaftliche und politische Interessen verbinden fortan die deutschen Erb-
lande mit dem Völkergewimmel jener subgermanischen Welt, wo das
Deutschthum nur mühsam ein geistiges Uebergewicht behauptet; im Ver-
laufe der langen ruhmvollen Türkenkriege entsteht unter den deutschen,
ungarischen und slavischen Kampfgenossen ein Bewußtsein der Gemeinschaft.
Durch die Eroberung Ungarns wurde vollendet, was die Politik der
Gegenreformation begonnen hatte: die Trennung Oesterreichs von Deutsch-
land. So lange die Paschas der Osmanen auf der Königsburg von
Ofen hausten, führte Oesterreich den Markmannenkrieg für die deutsche
Gesittung gegen die Barbarei des Ostens; nur mit Deutschlands Hilfe,
durch das gute Schwert der Märker, der Sachsen, der Baiern gelang
die Vertreibung der Türken aus Ungarn. Seit die Pforte in Schwäche
versank, zerriß auch dies letzte Band gemeinsamer Gefahr, das unsere
Nation noch an das Kaiserthum gekettet hatte. Deutschland und Oester-
reich waren nunmehr zwei selbständige Reiche, allein durch die Formen
des Staatsrechts künstlich verbunden; die Zerstörung dieser unwahren
Formen blieb für lange Jahrzehnte die große Aufgabe der deutschen Ge-
schichte.
Schritt für Schritt befestigte sich seitdem die Staatseinheit des neuen
Oesterreichs. Die Pragmatische Sanction verkündete die Untheilbarkeit
des kaiserlichen Hausbesitzes. Darauf gab der größte Herrscher des Habs-
burgerstammes den Erblanden, die bisher nur durch das Kaiserhaus, den
Clerus, den Adel und das Heer verbunden gewesen, eine nothdürftige
gemeinsame Verfassung. Maria Theresia begründete das System des
österreichisch-ungarischen Dualismus. Sie stellte die böhmisch-österreichische