Stein's Verfassungsplan. 287
hatte der unermüdliche Schrötter schon einen ausführlichen Plan ent—
worfen, der im Wesentlichen von denselben Grundsätzen ausging wie
späterhin die Kreisordnung von 1872.
Den Oberpräsidenten wollte Stein Provinziallandtage an die Seite
stellen, damit die Eigenart und die Sonderinteressen der großen Land—
schaften innerhalb der Staatseinheit zu ihrem Rechte kämen. Er rühmte
sich gern, sein Verfassungsplan sei auf freies Eigenthum gegründet, gebe
das Wahlrecht allen „Eigenthümern“ — und dies bedeutete in seinem
Munde ausschließlich oder doch überwiegend: die Grundbesitzer in Stadt
und Land. Mit verwegener Hand hatte er die rechtlichen Schranken zwi-
schen den alten Ständen niedergerissen, es gab in Preußen keine Geburts-
stände mehr; jedoch über die thatsächlich noch vorhandenen, im Volksbe-
wußtsein noch lebendigen Unterschiede der Berufsstände und Interessen-
gruppen wollte er nicht leichtfertig hinweggehen. Darum forderte er
ständische Wahlen für die Provinziallandtage, dergestalt daß Ritterschaft,
Städte, Bauerschaft für sich ihre Vertreter ernennen sollten, und ver-
warf die Vorschläge seines schlesischen Freundes Rhediger, die von der
alten ständischen Gliederung gänzlich absahen. Ihm war es genug, wenn
die Gesammtheit der Stadtbürger und der Bauern ständische Vertretung
erhielt, während an den altständischen Landtagen nur einige bevorrech-
tigte Immediatstädte und von den Bauern allein die ostpreußischen Köllmer
theilgenommen hatten. Ein erster Schritt nach diesem Ziele hin geschah
noch unter seiner Verwaltung. Ostpreußen erhielt, damit „die Regierung
durch die allgemeine Intelligenz unterstützt werde", eine neue Landschafts-
ordnung, die den Köllmern gleiches Recht mit den Edelleuten und Zutritt
zu den landständischen Ausschüssen gewährte.
Ueber diesen neuen Provinzialständen sollten endlich die preußischen
Reichsstände stehen, als eine Stütze für die Krone, als das unum-
gängliche Mittel den Nationalgeist zu erwecken und zu beleben. Der
alte Absolutismus fühlte in diesen wilden Zeiten überall seine eigene
Ohnmacht. Als die Bedrängniß des Staatshaushalts den Verkauf der
Domänen gebot, wollte der König die Verantwortung für einen so ge-
wagten Schritt nicht allein auf sich nehmen; er ließ daher das neue
Hausgesetz über die Veräußerung der Domänen den Ständen aller Pro-
vinzen — in Schlesien, das keine Stände hatte, den Vertretern der Pfand-
briefsinstitute und einiger Städte — zur Mitunterzeichnung vorlegen, ob-
gleich er ausdrücklich erklärte, daß er dazu nicht verpflichtet sei. Ein solcher
Zustand der Unsicherheit des öffentlichen Rechts durfte nicht dauern.
Stein trug sich mit dem Plane einer großen Steuerreform, er wollte
brechen mit der ängstlichen hausväterlichen Sparsamkeit, welche die Aus-
gaben nach den Einnahmen bemaß, und auch in Preußen den kühnen
Grundsatz einführen, der für jede Finanzwirthschaft großen Stiles gilt,
daß die Einnahmen sich nach den Ausgaben richten sollen. Für diese