Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

364 I. 3. Preußens Erhebung. 
Verwaltung geblieben. Auch über das Schicksal der Hansestädte hatte 
sich Napoleon noch nicht entschieden. Er haßte sie ingrimmig als Eng- 
lands getreue Kunden. Während der letzten drei Jahre hatte er aus 
Hamburg allein 44 Mill. Francs erpreßt; auf die Klage über den Unter- 
gang des Handels hieß es höhnisch: „um so besser! dann könnt Ihr 
nicht mehr Englands Geschäfte besorgen!“ Im Herbst 1809 verhandelte 
er mit den drei Städten zu Hamburg durch seinen vielgewandten Rein- 
hard: sie sollten zusammen einen halbsouveränen Staat des Rheinbundes 
bilden unter der Aufsicht von drei kaiserlichen Beamten. Die Hanseaten 
jedoch erhoben Bedenken, statt rasch zuzugreifen, wie ihnen ihr kluger 
Landsmann Smidt gerathen hatte. Sie verlangten die volle Souverä- 
nität, sowie das Recht freien diplomatischen Verkehres, sie wollten ihr 
Rheinbunds-Contingent durch Geldzahlungen abkaufen und hofften eine 
Zeit lang um so zuversichtlicher auf die Erfüllung ihrer Wünsche, da 
inzwischen (1. März 1810) Nord-Hannover „für immer“ mit dem König- 
reich Westphalen vereinigt wurde. 
Bald aber wurde der Imperator wieder anderen Sinnes. Eine neue 
Dünenbildung sollte aus dem Flugsande dieser zertrümmerten Staaten- 
welt emporsteigen. Napoleon entthronte seinen Bruder Ludwig von 
Holland, riß das Münsterland von dem bergischen Herzogthume ab, nahm 
das soeben an Jerome verschenkte nördliche Hannover wieder zurück und 
vereinigte alle diese Lande, mitsammt Oldenburg und den Hansestädten, 
mit dem Kaiserreiche (10. December 1810). Das Alles war einfach „durch 
die Umstände geboten.“ Zu den sieben deutschen Departements des linken 
Rheinufers traten fünf niederdeutsche hinzu. Die Marken der unmittel- 
baren Herrschaft des Kaisers erstreckten sich im Süden bis über Rom 
hinaus, im Norden bei Lübeck bis an die Ostsee. Durch den Besitz der 
gesammten Nordseeküste schien die Durchführung der Continentalsperre 
endlich gesichert. Ein Kanal, binnen fünf Jahren zu vollenden, sollte den 
Strand der Ostsee mit der Hauptstadt der Welt verbinden. Blieb das 
Glück dem Vermessenen hold, so war die Einverleibung noch anderer 
deutscher Lande nur noch eine Frage der Zeit; besaß der Imperator doch 
bereits tief im Innern der Rheinbundsstaaten eine Menge von Domänen, 
die er theils sich selber vorbehielt, theils an seine Würdenträger als Do- 
tationen vertheilte. Schon mehrmals hatte das Geschick den Trunkenen 
an die Schranken alles irdischen Wollens erinnert: bei Eylau, bei Aspern 
und in Spanien. Er achtete es nicht. Sein Reich war jetzt größer denn 
je, seine Träume flogen bis über die Grenzen des Menschlichen hinaus. 
Er beklagte bitter, daß er sich nicht, wie einst Alexander, für den Sohn 
eines Gottes ausgeben könne: „jedes Fischweib würde mich auslachen; 
die Welt ist heute zu aufgeklärt, es giebt nichts Großes mehr zu thun!“ 
Die Einverleibung von Spanien und Italien war längst beschlossene 
Sache. Nur noch ein letzter siegreicher Vormarsch Massena's gegen Lissa-
	        
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