Die Lage in Ostpreußen. 417
mit sammt den Festungen allein von preußischen Truppen besetzt werden
sollte. Friedrich Wilhelm sagte voraus, daß der Imperator auf solche
Zumuthungen nicht eingehen würde.“) Lehnte Napoleon ab, so war der
Krieg entschieden. Zugleich unterzeichnete der König eine Cabinetsordre,
welche das Betragen York's für gerechtfertigt erklärte.“)
So bereitete die Krone ruhig und umsichtig den Kampf vor. Doch
über ihren letzten Absichten lag ein unverbrüchliches Geheimniß. Selbst
die Oberregierungscommission, welche der König unter dem Vorsitze des
Grafen Goltz in Berlin zurückgelassen, erfuhr kein Wort von den diplo-
matischen Verhandlungen, sie war angewiesen, mit Marschall Augereau
und den französischen Militärbehörden auf freundlichem Fuße zu bleiben.
Der ohnehin langsame Verkehr wurde durch die Truppenzüge der Fran-
zosen fast ganz unterbrochen. In den Provinzen wußte man lange nur
das Eine, daß der König unfrei sei, von französischen Bajonetten um-
geben. Wo sollte das hinaus? Ward es nicht hohe Zeit, daß die Nation
ohne die Krone und doch für sie handelte, durch einen heroischen Entschluß
den König befreite und sich selber zurückgab? Die verzweifelte Frage lag
auf Aller Lippen, nirgends aber ward die quälende Ungewißheit bitterer
empfunden, als in dem treuen Altpreußen. Hier diese alten tapferen
Grenzenhüter der Germanen, denen die rothen Mauern ihrer Ordens-
burgen von den Wundern einer großen Geschichte erzählten — sollten sie
thatlos zuschauen, wie der Moskowiter den Franzmann verjagte um dann
vielleicht die schöne Provinz, die schon während des siebenjährigen Krieges
fünf Jahre lang unter russischer Herrschaft gestanden hatte, für immer
mit dem Czarenreiche zu vereinigen? Jedermann fühlte, daß irgend etwas
geschehen, daß die Provinz sich durch eigene Kraft die Freiheit verdienen
müsse. Schon zu Anfang Januars erschienen einige Mitglieder der
preußischen Stände bei dem General Wittgenstein und erboten sich, Truppen
auszuheben, die unter York's Führung an der Seite der Russen kämpfen
sollten.
York selbst war in der peinlichsten Lage. Er hatte gehofft, sein
Abfall würde die Russen zu rastloser Verfolgung des Feindes ermuthigen,
den König zu einem raschen Entschlusse hinreißen, überall im deutschen
Norden den Volkskrieg entzünden. Einige Tage lang gaben sich seine
Truppen den frohesten Hoffnungen hin; in Tilsit, an der äußersten Ost-
mark deutscher Erde, versprach Oberst Below seinen litthauischen Dra-
gonern, er werde seinen Säbel nicht niederlegen, bis sie die Thürme von
Paris gesehen hätten. Aber Wittgenstein betrieb die Verfolgung so saum-
selig, daß Macdonald sich in Königsberg mit den übrigen Resten der
großen Armee vereinigen und dann, wenig belästigt, über die Weichsel
*) Denkschrift des Königs, 26. Jan. 1813.
**) Königliche Weisung an Krusemark, 13. Febr. Hardenberg an St. Marsan,
15. Febr. Cabinetsordre an York, 12. Febr. 1813.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte I. 27