36 I. 1. Deutschland nach dem Westphälischen Frieden.
seinem Volke den gemeinsamen Namen der Preußen. Nur die Noth,
nur die Hoffnung auf Preußens Waffenhilfe bewog den kaiserlichen Hof,
dem Nebenbuhler die neue Würde zuzugestehen. Ein Schrecken ging
durch die theokratische Welt: Kurmainz protestirte, der deutsche Orden
forderte nochmals seinen alten Besitz zurück, der jetzt dem ketzerischen
Königthum den Namen gab, und der Staatskalender des Papstes kannte
noch an hundert Jahre lang nur einen brandenburgischen Markgrafen.
Die anspruchsvolle königliche Krone erschien dem Enkel Friedrich's I. als
eine ernste Mahnung, die Macht und Selbständigkeit des Staates zu
befestigen. Von solchem Stolze wußte die schwache Seele des ersten
Königs wenig. Er diente, ein getreuer Reichsfürst, dem Kaiserhause,
kämpfte ritterlich am Rheine, in der arglosen Hoffnung, der Kaiser werde
die Feste Straßburg dem Reiche zurückbringen; er half den Habsburgern
die Türken zu schlagen, ließ sein Heer als karg belohnte Hilfsmacht
Oesterreichs und der Seemächte an den Schlachten des spanischen Erb-
folgekrieges theilnehmen. Damals zuerst lernten die Franzosen das preu-
ßische Fußvolk als die Kerntruppe des deutschen Heeres fürchten; doch
an der politischen Leitung des Krieges hatte der Berliner Hof keinen
Antheil. Während seine tapferen Truppen in Ungarn und den Nieder-
landen, in Oberdeutschland und Italien unfruchtbaren Kriegsruhm ernteten,
führte Schweden den Verzweiflungskampf gegen die Mächte des Nordens;
Preußen aber versäumte die Gunst seiner centralen Lage auszubeuten und
durch eine kühne Schwenkung vom Rhein zur Oder dem nordischen Kriege
die Entscheidung zu geben. Mit Mühe hat nachher Friedrich Wilhelm I.
die Fehler des Vaters gesühnt und aus dem Schiffbruch der schwedischen
Großmacht mindestens die Odermündungen für Deutschland gerettet.
Von Altersher waren die Hohenzollern, nach gutem deutschem Fürsten-
brauche, für die idealen Aufgaben des Staatslebens treu besorgt gewesen;
sie hatten die Hochschulen von Frankfurt und Königsberg gegründet, die
Duisburger wiederhergestellt. Und jetzt, unter dem duldsamen Regimente
des freigebigen Friedrich und seiner philosophischen Königin, gewann es
den Anschein, als sollte Deutschlands wiedererwachende Kunst und Wissen-
schaft in dem rauhen Brandenburg ihre Heimath finden. Die vier refor-
matorischen Denker des Zeitalters, Leibniz, Pufendorf, Thomasius, Spener
wandten sich dem preußischen Staate zu. Die neue Friedrichs-Universität
zu Halle ward die Zufluchtsstätte freier Forschung, übernahm für einige
Jahrzehnte die Führung der protestantischen Wissenschaft, trat in die Lücke
ein, welche die Zerstörung der alten Heidelberger Hochschule geschlagen
hatte. Die dürftige Hauptstadt schmückte sich mit den Prachtbauten
Schlüter's; der schwelgerische Hof strebte den Glanz und den Mäcenaten-
ruhm des gehaßten Bourbonen zu überbieten. Zwar die frivole Selbst-
vergötterung des höfischen Despotismus blieb dem Hause der Hohen-
zollern immer fremd; die üppige Pracht Friedrich's I. reichte an die ruch-