450 J. Der Befreiungskrieg.
chischen Hofe wurde diese Erlaubniß ertheilt, da Napoleon sowohl wie die
Alliirten ihn schonen wollten und auf seinen Beitritt hofften; von dem
sächsischen Könige verlangten beide Theile sofortigen Anschluß.
Fast die gesammte sächsische Armee stand in Torgau unter den Be—
fehlen Thielmann's, der beauftragt war den wichtigen Elbepaß keinem
der beiden kämpfenden Theile zu öffnen. Der General war ein tapferer
Soldat, aber eitel, großsprecherisch, maßlos ehrgeizig; ein eifriger Diener
Napoleon's hatte er sich neuerdings urplötzlich der deutschen Sache zuge—
wendet. Es stand in seiner Gewalt, durch einen eigenmächtigen verwege—
nen Entschluß, nach dem Vorbilde York's, seinem Könige Thron und Heer
zu retten, den Verbündeten den Beginn der Operationen wesentlich zu
erleichtern. Er aber that zu viel für einen sächsischen General, zu wenig
für einen deutschen Patrioten. Insgeheim verhandelte er mit den Preußen
und spielte ihnen sogar einige Fähren in die Hände, welche den Ueber—
gang der Alliirten über die Elbe ermöglichten; doch seine Truppen mit
dem deutschen Heere zu vereinigen wagte er nicht. In solcher Lage waren
die Verbündeten unzweifelhaft berechtigt Sachsen als Feindesland zu be—
handeln: sie traten jedoch mit übel angebrachter Milde auf, nahmen das
Land nur im Namen des landesflüchtigen Fürsten in Verwahrung. Scharn—
horst vornehmlich hat diesen Fehler verschuldet; er beurtheilte die Gesin—
nung des sächsischen Hofes unrichtig, nach den Schilderungen seines Ju—
gendfreundes, des Generals Zeschau, der zu den nächsten Vertrauten
Friedrich August's zählte. Auch Stein hoffte noch auf die freiwillige Be—
kehrung der Albertiner. Wohl schalt er grimmig auf die Mattherzigkeit
„dieser weichen sächsischen Wortkrämer“, die von der Begeisterung des preu—
ßischen Volkes kaum angeweht wurden, auf den Stumpfsinn der Dresdener
Philister, denen unter allen Schickungen einer ungeheuren Zeit nichts so
wichtig war, wie die Zerstörung ihrer Elbbrücke. Aber statt das besetzte
Land, dem Breslauer Vertrage gemäß, sofort der Dictatur des Central-
verwaltungsrathes zu unterwerfen, ließ Stein die von dem flüchtigen
Könige eingesetzte Regierungscommission ruhig gewähren und verschmähte
sogar die Staatskassen mit Beschlag zu belegen.
Also trat die geplante deutsche Centralbehörde in ihrem ursprüng-
lichen radicalen Sinne niemals in's Leben; der erste Versuch unitarischer
Politik gerieth nach halbem Anlauf in's Stocken. Noch ehe der große
Krieg begann, ward schon erkennbar, welche Macht der Particularismus
im Volke und in den Dynastien noch besaß. Die Fremdherrschaft war
reif zum Untergange; für den Staatsbau der deutschen Einheit fehlte
noch der Boden.
Zeiten der Noth heben den rechten Mann rasch an die rechte Stelle.
Da der König in seiner Schüchternheit sich nicht getraute nach dem
Brauche seiner Vorfahren das Heer selber zu führen, so durfte nur ein