Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Stein's Centralverwaltung. 451 
Mann den Befehl über die preußische Hauptarmee übernehmen — der 
erste Feldsoldat der deutschen Heere, General Blücher. Wohin waren sie 
doch, die Träume der gebildeten Menschenfreunde vom ewigen Frieden? 
Gereift und gekräftigt in harter Prüfung glaubten die Deutschen wieder 
an den Gott der Eisen wachsen ließ, und jene einfachen Tugenden ur- 
sprünglicher Menschheit, die bis an das Ende der Geschichte der feste 
Grund aller Größe der Völker bleiben werden, gelangten wieder zu ver- 
dienten Ehren: der kriegerische Muth, die frische Kraft des begeisterten 
Willens, die Wahrhaftigkeit des Hasses und der Liebe. In ihnen lag 
Blücher's Stärke, und diese Nation, die sich so gern das Volk der Dichter 
und der Denker nannte, beugte sich vor der Seelengröße des bildungs- 
losen Mannes; sie fühlte, daß er werth war sie zu führen, daß der 
Heldenzorn und die Siegesfreude der Hunderttausende sich in ihm ver- 
körperten. Was hatte der Alte nicht Alles durchgemacht in dem halben 
Jahrhundert, seit die Belling-Husaren einst den schwedischen Cornet ein- 
fingen und der alte Belling selber den unbändigen Junker in Kunst und 
Brauch der fridericianischen Reiter unterrichtete. Er hatte an der Peene 
gegen die Schweden, bei Freiberg gegen die Kaiserlichen, in Polen gegen 
die Conföderirten gefochten, war auf jenem unblutigen Siegeszuge durch 
Holland dem Bürger und Bauern überall ein wohlwollender Beschützer 
gewesen und dann während der rheinischen Feldzüge von Freund und 
Feind bewundert worden. Die schneidige Tollkühnheit, die behende List, 
die unermüdliche Ausdauer des alten Zieten lebten wieder auf in dem 
neuen Könige der Husaren. Sein Lebelang blieb er der Ansicht, für 
das Fußvolk genüge zur Noth der nachhaltige Muth, der Reiterführer 
aber bedürfe einer angeborenen Begeisterung, um die seltenen und flüch- 
tigen Augenblicke, die seiner Waffe eine große Wirkung erlaubten, immer 
sofort mit Ungestüm zu ergreifen. 
Seit dem Jahre 1806 und dem kühnen Zuge auf Lübeck war er 
die Hoffnung der Armee; Scharnhorst lernte damals an Blücher's Seite 
daß man mit Muth und Willenskraft Alles auf der Welt überwinde und 
sagte zu ihm: „Sie sind unser Anführer und Held und müßten Sie uns 
in der Sänfte vor= und nachgetragen werden. Nur mit Ihnen ist Ent- 
schlossenheit und Glückl“ Und es war unendlich mehr als die Tapfer- 
keit des Haudegens, was die Treuen und Furchtlosen so unwiderstehlich 
anzog. Aus Blücher's ganzem Wesen sprach die innere Freudigkeit des ge- 
borenen Helden, jene unverwüstliche Zuversicht, welche das widerwillige 
Schicksal zu bändigen scheint. Den Soldaten erschien er herrlich wie der 
Kriegsgott selber, wenn der schöne hochgewachsene Greis noch mit jugend- 
licher Kraft und Anmuth seinen feurigen Schimmel tummelte; gebieterische 
Hoheit lag auf der freien Stirn und in den großen tiefdunkeln flammenden 
Augen, um die Lippen unter dem dicken Schnurrbart spielte der Schalk 
der Husarenlist und die herzhafte Lebenslust. Ging es zur Schlacht, so 
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