Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Schlacht von La Rothieère. 541 
hunderts einst auf der Schule gewesen, sein Examen abzulegen: „die 
Franzosen sollen doch sehen, daß wir Deutschen in der Kriegskunst auch 
etwas gelernt haben!“ Auf die dringenden Vorstellungen der preußischen 
Generale gestattete der Oberfeldherr endlich, daß Blücher am 1. Februar, 
verstärkt durch zwei Corps der Großen Armee, von den Höhen von Trannes 
hinabstieg und den Imperator in seiner weit ausgedehnten Aufstellung bei 
La Rothieère angriff. Schwarzenberg selbst sah mit zwei Dritteln der 
vereinigten Armeen der Schlacht unthätig zu. Aber schon jenes eine 
Drittel war den 40,000 Mann, welche Napoleon zur Stelle hatte, weit- 
aus überlegen. Im Centrum drang Sacken mit seinen Russen bei wildem 
Schneegestöber gegen La Rothiere vor und behauptete sich dort wider die 
kaiserliche Garde. Dann ward auch der rechte Flügel der Franzosen durch 
Wrede und den Kronprinzen von Württemberg geschlagen, und obwohl 
der Unglücksmann Gyulay wieder, wie einst bei Leipzig, gegen die Linke 
des Feindes wenig ausgerichtet hatte, so war doch am Abend ein voll- 
ständiger Sieg erfochten. Ein großer Theil des französischen Heeres floh 
in wüster Verwirrung; wurde der Sieg von der Uebermacht der Ver- 
bündeten recht benutzt, so konnten die Geschlagenen der Vernichtung nicht 
entgehen. Sacken schrieb triumphirend: „An diesem denkwürdigen Tage 
hört Napoleon auf ein gefährlicher Feind der menschlichen Gesellschaft zu 
sein.“ Zum ersten male hatte der Marschall Vorwärts in offener Feld- 
schlacht selbständig dem Imperator gegenüber gestanden, zum ersten male 
seit Jahrhunderten war das stolze Frankreich auf seinem eigenen Boden 
in einer ernsten Schlacht besiegt. Gewaltig war der Eindruck bei Freund 
und Feind. Napoleon selber gab für jetzt das Spiel verloren und bevoll- 
mächtigte seinen Unterhändler in Chatillon, Caulaincourt, um jeden Preis 
die Hauptstadt zu retten und den Frieden abzuschließen; freilich sah er in einem 
solchen Vertrage, wie er seinem Bruder Joseph schrieb, nur eine Capitulation 
und nahm sich vor nach zwei Jahren den Krieg von Neuem zu beginnen. 
Da bereitete die österreichische Politik dem Imperator nochmals die 
Rettung. Statt mit vereinten Kräften die Geschlagenen nachdrücklich zu 
verfolgen, theilte Schwarzenberg sein Heer — angeblich, weil er die ge- 
waltigen Massen nicht zu verpflegen vermochte, in Wahrheit weil die 
Oesterreicher sich der schlesischen Stürmer und Dränger entledigen wollten. 
Während die große Armee an der Seine entlang marschirte um den Haupt- 
stoß gegen den Feind zu führen, sollte Blücher sich nordostwärts an die 
Marne wenden und von da die linke Flanke Napoleon's umgehen. Wohl- 
gemuth zog der Alte seines Weges über die kahle baumlose Hochfläche der 
Champagne, die im Norden von den rebenreichen weißen Kreidefelsen des 
Marnethals, im Süden von den lieblichen Hügeln der Seine begrenzt 
wird. Der Wind pfiff schneidend über das offene Land, der Regen 
strömte hernieder; mühselig wateten die Truppen durch jene berüchtigten 
Schlammwege der Champagne ponilleuse, die bei den älteren Offizieren
	        
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