Die deutsche Nation und Friedrich. 63
Norddeutsche, wenn auf den Krieg die Rede kommt, unwillkürlich in die
Ausdrucksweise jener heroischen Tage und spricht wie Friedrich von bril-
lanten Campagnen und fulminanten Attacken.
Die gutherzige Gemüthlichkeit der Deutschen außerhalb Preußens
bedurfte langer Zeit um das Grauen zu überwinden vor dem harten
Realismus dieser fridericianischen Politik, die ihre Gegner so ungroß-
müthig immer angriff, wenn es ihnen am wenigsten willkommen war.
Aber als das große Jahr 1757 über das deutsche Land dahinbrauste,
siegreicher Angriff und schwere Niederlage, neue verwegene Erhebung und
neue strahlende Siege in sinnverwirrender Hast sich drängten und aus
der wilden Flucht der Ereignisse immer gleich groß und beherrschend das
Bild des Königs heraustrat, da fühlte sich das Volk in Herz und Nieren
gepackt und erschüttert von dem Anblick echter Menschengröße. Die ver-
witterte und verknöcherte Gestalt des alten Fritz, wie der Hammerschlag
des unerbittlichen Schicksals sie zurecht geschmiedet, übte ihren dämonischen
Zauber auf unzählige treue Gemüther, die zu der glänzenden Erscheinung
des jugendlichen Helden von Hohenfriedberg nur mit befangener Schen
emporgeblickt hatten. Die Deutschen waren, wie Goethe von seinen
Frankfurtern sagt, fritzisch gesinnt — „denn was ging uns Preußen
an?" — und lauschten mit verhaltenem Athem, wie der unzähmbare
Mann jahraus jahrein sich des Verderbens erwehrte. Jener überwäl-
tigende Einmuth ungetheilter Liebe und Freude, der die Geschichte glück-
licher Völker zuweilen mit goldenem Lichte verklärt, blieb freilich dem
zerrissenen Deutschland auch jetzt noch versagt. Wie Luther und Gustav
Adolf, die beiden einzigen Helden vordem, deren Bild sich den Massen
unseres Volkes unvergeßlich in's Herz prägte, so ward auch Friedrich in
den Krummstabslanden am Rhein und Main als der große Feind ge-
fürchtet. Doch die ungeheure Mehrheit des protestantischen, auch weite
Kreise des katholischen Volks, und vor Allem sämmtliche Wortführer der
jungen Wissenschaft und Dichtung folgten ihm mit warmer Theilnahme;
man haschte nach seinen Witzworten, erzählte Wunder über Wunder von
seinen Grenadieren und Husaren. Dem verschüchterten Geschlechte ward
die Scele weit bei dem Gedanken, daß der erste Mann des Jahrhunderts
unser war, daß der Ruhm des großen Königs bis nach Marokko und
Amerika drang.
Noch wußten Wenige, daß in dem preußischen Schlachtenruhme nur
die uralte Waffenherrlichkeit der deutschen Nation wieder zu Tage kam;
selbst Lessing spricht von den Preußen zuweilen wie von einem halb-
fremden Volke und meint verwundert, denen sei der Heldenmuth so an-
geboren wie den Spartanern. Nach und nach begannen doch selbst die
Massen zu fühlen, daß Friedrich für Deutschland focht. Die Schlacht
von Roßbach, die bataille en douceur, wie er sie spottend nennt, ward
der folgenreichste seiner Siege für unser nationales Leben. Wenn in