Treffen bei Wavre. 765
durch mehrfache Entsendungen geschwächt, zählte nur 16,000 Mann, halb
so viel wie vor drei Tagen; die Soldaten fühlten sich tödlich erschöpft,
und zudem wußte man nichts Sicheres über Grouchy's Stellung. Was
Wunder, daß der Nachtmarsch nur langsam von statten ging? Aber bei
größerer Rührigkeit seines Generalstabs mußte der General am 19. er-
fahren, wo Grouchy zu finden sei. Dies ward versäumt. Erst am 20. kam
die Nachricht, daß der Marschall in der Nacht, ohne einen Schuß zu thun,
unweit der Vorposten nach der Sambre zu vorübergezogen und also den
beiden Corps von Pirch und Thielmann glücklich entschlüpft war. Pirch
eilte sofort nach, traf die Nachhut bei Namur, nahm die Stadt nach einem
blutigen Gefechte an den Thoren, aber die Hauptmacht Grouchy's war
schon in Sicherheit. So geschah es, daß den Franzosen vorläufig noch
ein leidlich geordnetes Heer von 30,000 Mann übrig blieb, das vielleicht
den Kern für eine neue Armee bilden konnte.
Die beiden Feldherren verständigten sich schnell über den gemeinsamen
Einmarsch in das Innere Frankreichs, wobei die Preußen wieder die Spitze
nehmen sollten; nur gingen Beide von grundverschiedenen Absichten aus.
Blücher wollte einfach die Unterwerfung des verhaßten Landes vollenden
bis die Monarchen das Weitere verfügten; Wellington wünschte den legi-
timen König schleunig in die Tuilerien zurückzuführen. Und wie viel
vortheilhafter war die politische Stellung des Briten! Während Blücher,
ohne Kenntniß von den Plänen seines Hofes, sich begnügen mußte seinen
Generalen jeden amtlichen Verkehr mit den Bourbonen zu verbieten, ging
Wellington, unbekümmert um die Wünsche der Bundesgenossen, ruhig auf
sein sicheres Ziel los, forderte den Genter Hof auf, dem englischen Heere
nachzuziehen.
Die Entscheidung des Krieges fiel so wunderbar rasch, daß jene
Mächte, welche eine neue Restauration nicht wünschten, sich gar nicht auf
die veränderte Lage vorbereiten konnten. König Ludwig war noch der von
allen Mächten anerkannte König von Frankreich, das gesammte diplo-
matische Corps hatte ihn nach Gent begleitet, und den Vorstellungen der
fremden Staatsmänner glückte es, den gefährlichen Einfluß des Grafen
Blacas zu beseitigen, den König für eine gemäßigtere Richtung zu ge-
winnen. Einer ersten, unklugen und übermüthigen Proclamation folgte
schon am 28. Juni eine zweite voll freundlicher Verheißungen. Der Bour-
bone versprach, sich abermals zwischen die alliirten und die französischen
Armeen zu stellen, „in der Hoffnung, daß die Rücksichten, welche man
mir zollt, zu Frankreichs Heile dienen werden;“ er verwahrte sich feierlich
gegen die Wiederherstellung der Zehnten und grundherrlichen Rechte, gegen
die Rückforderung der Nationalgüter. Wellington trug kein Bedenken,
den Friedensdeputationen, welche ihm die Hauptstadt zusendete, zu er-
klären, die Bedingungen der Sieger würden um Vieles härter werden,
wenn die Nation ihren König nicht zurückriefe. Und seltsam, der russische