Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Die Mediatisierten. 177 
württembergische Untertanen fühlen konnten. Mit brutaler Grobheit ver— 
wies König Friedrich von Württemberg die Fürsten und Grafen von Wald— 
burg, Königsegg u. a. zur Ruhe, da sie sich unterstanden, ihn in einer Adresse 
an „den glorreichen Vorgang“ des Königs von Preußen zu erinnern. 
Darauf schlossen „die als schuldlose Staatsopfer niedergebeugten Reichs— 
stände“ des württembergischen Landes unter der Führung des Fürsten 
Waldburg-Zeil einen Verein zur gemeinsamen Wahrung der Standes- 
rechte; sie wendeten sich an ihr „vormaliges allgemein beglückendes Reichs- 
oberhaupt“, den Kaiser Franz, auch an viele andere Souveräne, und ver- 
langten, daß der Bund ihnen die Kuriatstimmen gewähre und Vorschriften 
für die Ausführung des Art. 14 erlasse. Einzelne ihrer Wünsche über- 
schritten unleugbar das Maß der Rechte, welche ein geordneter Staat 
seinen Untertanen gewähren konnte. Aber der schwäbische Despot hatte 
seine Ohren überall; er erfuhr die Umtriebe seines hohen Adels durch 
seinen Bundestagsbevollmächtigten von Linden, einen berüchtigten Kund- 
schafter der napoleonischen Polizei, der vor kurzem in Berlin als Ge- 
sandter erschienen und von Hardenberg ohne weiteres zurückgeschickt wor- 
den war. Sofort griff der König mit einem Dehortatorium ein, ließ den 
Fürsten Waldburg in den rohesten Formen verhören und verbot dann 
den Verein der Mediatisierten als „null und verräterisch.“ Zugleich schlug 
er Lärm an den Nachbarhöfen, und der badische Minister Hacke erklärte 
ihm mit Freuden seine Bereitwilligkeit zu gemeinsamen Maßregeln „gegen 
den Geist des Aufruhrs und der Widersetzlichkeit, der bei einem großen 
Teile des Adels an die Tagesordnung tritt“. Hatte doch Fürst Wald- 
burg sich sogar erdreistet den souveränen Fürsten von Bückeburg mit „Hoch- 
zuverehrender Herr Vetter!“ anzureden!“) 
Als der Bundestag eröffnet wurde, zeigte sich die große Mehrzahl 
der Bundesstaaten so argwöhnisch gegen die Rebellen vom hohen Adel, 
daß Hardenberg seinem Gesandten befahl, den Antrag auf Gewährung der 
Kuriatstimmen als völlig aussichtslos vorläufig ruhen zu lassen. Die Ein- 
gaben der Mediatisierten wurden zu den Akten gelegt. Erst im Januar 
1818 begannen die Gesandten dem Bundestage über die Ausführung des 
Art. 14 in ihren Heimatlanden Bericht zu erstatten, und darauf wurde 
am 2. Oktober zur Aufstellung gemeinsamer Grundsätze wieder die unver- 
meidliche Kommission eingesetzt. Von den Kuriatstimmen war nicht mehr 
die Rede, und da auch jene gemeinsamen Grundsätze nie zustande kamen, 
so blieb das Recht der Mediatisierten den Gesetzen der Einzelstaaten an- 
heimgegeben, obgleich die meisten der alten reichsständischen Häuser in 
mehreren Bundesstaaten zugleich angesessen waren. Der Partikularismus, 
der so viele köstliche Kräfte unserer Nation zerstörte, wußte auch nichts an- 
*) Eingaben des Fürsten von Waldburg-Zeil an den König von Württemberg, 
29. Sept. 1815; an Kaiser Franz, 2. April 1816; an den Fürsten von Bückeburg, 23. März; 
Minister v. Hacke an Graf Wintzingerode, 8. April 1816. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. II. 12 
 
	        
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