Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates. 
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Auch die unhaltbaren Verhältnisse an der Ostgrenze mahnten zu 
rascher Tat. Sobald Preußen, Polen und Rußland im März 1816 zu 
Warschau wegen der Ausführung des Wiener Vertrags vom 3. Mai 1815 
zu verhandeln begannen, stellte sich bald heraus, daß Hardenberg in Wien 
von dem Fürsten Czartoryski überlistet worden war. Die scheinbar so harm- 
losen Bestimmungen des Vertrages über die freie Durchfuhr und den freien 
Verkehr mit den Landeserzeugnissen aller vormals polnischen Landschaften 
legten dem preußischen Staate fast nur Pflichten auf, da sein Gebiet das 
Durchfuhrland bildete. Um der Abrede buchstäblich zu genügen hätte 
Preußen seine polnischen Provinzen von dem übrigen Staatsgebiete durch 
eine Zollinie trennen müssen, während Rußland, dem Vertrage zuwider, 
seine alte Zollgrenze, die das polnische Litauen von Warschau abschied, 
unverändert ließ und auch Osterreich sich keineswegs geneigt zeigte, seinen 
polnischen Kronlanden handelspolitische Selbständigkeit zuzugestehen. Die 
polnischen Unterhändler sahen in dem Vertrage ein willkommenes Mittel, 
um durch die Ansiedelung von Handelsagenten und Kommissionären ihre 
nationale Propaganda in Preußens polnische Gebiete hineinzutragen. Sie 
erdreisteten sich der Krone Preußen geradezu die unbeschränkte Souveränität 
über Danzig zu bestreiten und stellten so übermütige Forderungen, daß 
der König mit einer entschiedenen Ablehnung antwortete, als Zar Alexan- 
der nach seiner Gewohnheit versuchte die Ansprüche der Polen durch einen 
zärtlichen Freundesbrief zu unterstützen. Der unerquickliche Verlauf dieser 
Verhandlungen zwang zu dem Entschlusse, die polnischen Landschaften den 
übrigen Provinzen des Ostens völlig gleichzustellen. Auf der anderen 
Seite lehrten die Frankfurter Erfahrungen, daß ein Bundesgzollgesetz ganz 
unmöglich war und Preußen mithin zunächst im eigenen Hause Ordnung 
schaffen mußte. 
Im Jahre 1816 erfolgten die ersten vorbereitenden Schritte. Das 
Verbot der Geldausfuhr ward aufgehoben, das Salzregal in allen Pro- 
vinzen gleichmäßig eingeführt; dann sprach die Verordnung vom 11. Juni 
die Aufhebung der Wasser-, Binnen= und Provinzialzölle als Grundsatz 
aus und verhieß die Einführung eines allgemeinen und einfachen Grenz- 
zollsystems. Zu Anfang des folgenden Jahres war der Entwurf für das 
neue Zollgesetz beendigt. Sobald aber von den reformatorischen Absichten 
des Entwurfes einiges ruchbar ward, erscholl der Notschrei der geängsteten 
Produzenten weithin durch das Land. Leidenschaftliche Eingaben der Baum- 
woll= und Kattunfabrikanten aus Schlesien und Berlin, die doch alle- 
samt unter der bestehenden Unordnung schwer litten, bestätigten die alte 
Wahrheit, daß die Selbstsucht der Menschen der schlimmste Feind ihres 
eigenen Interesses ist. Der Lärm ward so bedrohlich, daß der König für 
nötig hielt, zunächst eine Spezialkommission mit der Prüfung dieser Vor- 
stellungen zu beauftragen. Hier errang die alte fridericianische Schule 
noch einmal die Oberhand. Der Vorsitzende, Oberpräsident von Heydebreck.
	        
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