Montgelas. 335
er mit beflissenem Eifer teil, weil die Stärke Bayerns, wie er sie ver-
stand, durch die Schwäche der deutschen Großmächte bedingt war; aber
die Vernichtung der beiden Staaten wünschte er nie, denn auch die All-
macht Frankreichs konnte der bayrischen Selbständigkeit bedrohlich werden.
Zweimal verhinderte er — und er rühmte sich dessen — den Ausbau der
Verfassung des Rheinbundes; immer wieder beschwor er seinen königlichen
Freund, nicht durch würdelose Untertänigkeit gegen den Protektor die
Freiheit des Staates zu gefährden.
Die Erhebung Deutschlands war dem nüchternen Rechner unwill-
kommen, da sie ihm jede Hoffnung auf weitere Gebietserwerbungen ab-
schnitt, und nur zögernd entschloß er sich das sinkende Schiff des Bona-
partismus zu verlassen. Eine Zeitlang schmeichelte er sich dann noch
mit der Hoffnung, daß Bayern innerhalb der großen Allianz den Kern
einer süddeutschen Liga bilden und Wrede die Rolle eines andern Tilly
spielen werde.) Als diese Hoffnung trog, suchte er zunächst die Souverä-
nität der Wittelsbacher gegen Hardenbergs dualistische Pläne sicherzustellen
und schürte insgeheim den Unfrieden zwischen den beiden Großmächten.
Daher Bayerns Eifer für die Wiederherstellung der Krone Sachsen. Zur
Zeit des zweiten Pariser Friedenskongresses konnte Montgelas sogar vor
dem preußischen Gesandten Küster seine Schadenfreude kaum verbergen;
welch ein Glück, wenn der Streit um Elsaß-Lothringen ein dauerndes
Zerwürfnis zwischen Preußen und Osterreich herbeiführtel""“) Auch diese
Erwartung erwies sich als irrig, und nunmehr blieb ihm vorderhand
nur übrig, die Tätigkeit des Deutschen Bundes zu lähmen und das bay-
rische Volk vor den gefährlichen Lehren der norddeutschen Jakobiner sorg-
lich zu bewahren. Mit Genugtuung bemerkte er bald, wie wenig von
der Ohnmacht des Bundestages zu fürchten war, die Handvoll Patrioten
im Lande aber hielt er mit rücksichtsloser Strenge nieder. Selbst ein
Liebling des Königs, Anselm Feuerbach, ward als preußischer Emissär
angeschwärzt und in die Provinz versetzt, weil er in seiner Schrift „über
teutsche Freiheit“ den Sturz der Fremdherrschaft verherrlicht und die For-
derung aufgestellt hatte: durch die Freiheit des Repräsentativsystems müsse
das Blut so vieler Edlen bezahlt werden. Über die Unhaltbarkeit der
neuen deutschen Zustände täuschte sich der weltkundige Minister nicht; bei
der nächsten europäischen Krisis — dies blieb noch im späten Alter seine
Hoffnung — konnten vielleicht mit Hilfe einer auswärtigen Macht die
kleinsten deutschen Fürsten mediatisiert, Baden und Württemberg in Italien
abgefunden und der ganze Südwesten dem Hause Wittelsbach unter-
worfen werden; mochte dann Preußen immerhin sich im Norden ver-
größern, wenn nur das Eine verhindert ward was dem bayrischen Staats-
*) Montgelas an Wrede, 21. Okt. 1813, bei Heilmann, Fürst Wrede, S. 268.
**) Küsters Bericht, München 28. August 1815.