Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

386 II. 7. Die Burschenschaft. 
Als der Turnermeister der alte Jahn 
Für des Volks urheilige Rechte 
Vortrat zu der Freiheit Rennlaufbahn, 
Da folgt' ihm ein wehrlich Geschlechte. 
Hei wie schwungen sich die Jungen 
Frisch, froh, fromm, frei! 
Hei wie sungen da die Jungen: 
Juchhei! 
Wenn die Ferienzeit nahte, dann nahm Jahn gern seine Axt auf 
die Schulter und brach mit einer kleinen Schar von Getreuen zu einer 
weiten Turnfahrt auf; über Stock und Stein ging es dann vorwärts bei 
Wind und Wetter, in gewaltigen Märschen, bis nach Rügen oder ins 
schlesische Gebirge. Nachts lagerten sich die Graujacken gern beim Wach— 
feuer unter freiem Himmel, alles zur Mehrung der frommen Deutsch— 
heit, und stolz erklang das Turnwanderlied des biderben Maßmann: 
Stubenwacht, Ofenpacht, 
Hat die Herzen weich gemacht. 
Wanderfahrt, Turnerart 
Macht sie frank und hart. 
Zur Nahrung diente oft nur trockenes Brot, und selten ward etwas 
anderes als Milch oder Wasser getrunken; denn auch die Mäßigkeit 
rechnete der Turnvater zu den eigentümlichen Tugenden der Deutschen, 
was vor ihm noch nie ein Sterblicher behauptet hatte. Langsame Köpfe 
durften nicht murren, wenn ihnen der jähzornige Meister durch Verab- 
reichung einer „Dachtel“ die Gedankenarbeit beschleunigte; das war keine 
gemeine Ohrfeige, sondern hing, nach Jahns Etymologie, mit „Denken“ 
zusammen. Verging sich aber einer gar zu gröblich gegen die Grund- 
sätze des Deutschtums oder begegnete der waidlichen Schar sonst etwas 
anstößiges, etwa eine französische Inschrift oder ein geputzter Modegeck, 
ein „Schnürling“", dann wurde „Entsatz gemacht“, dann kauerten sich die 
jungen Unholde im Kreise um den Gegenstand des Entsetzens, reckten die 
Zeigefinger vor und brüllten: äh ähl 
In tapferen Völkern müssen alle schulmäßigen Leibesübungen kriege- 
rischen Zwecken dienen, wenn sie nicht zu läppischer Spielerei ausarten 
sollen. Eingefügt in den regelmäßigen Schulunterricht konnte das Turnen 
der überfeinerten Bildung der Zeit ein heilsames Gegengewicht bieten und 
die Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht erleichtern. In diesem 
Sinne hatte Gneisenau schon vor Jahren die kriegerische Ausbildung der 
gesamten Jugend empfohlen; ähnlich, wenngleich etwas überschwänglich 
äußerte sich noch jetzt ein Breslauer Turnfreund, Hauptmann von Schme- 
ling in seiner Schrift „Turnen und Landwehr“". Jener wunderliche Heilige 
aber, der sich schon bei Lebzeiten durch seine Eulenspiegeleien zu einer 
sagenhaften Person erhoben sah, konnte auch das Vernünftige nur auf 
närrische Weise betreiben. Er war aufgewachsen im Hasse gegen den
	        
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