Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Klassensteuer. Mahl= und Schlachtsteuer. 95 
Die Klassensteuer trugen nur sechs Siebentel der Bevölkerung. 132 
Städte zahlten die einträglichere Mahl= und Schlachtsteuer, darunter alle 
großen Communen, aber auch einige verkommene polnische Judenstädtchen, 
wie Schneidemühl, die sich der Klassensteuer vielleicht ganz entzogen hätten; 
so ängstlich mußte der Finanzminister darüber wachen, daß ihm keine 
mögliche Einnahme entging! Auch diese Abgabe erregte lebhaften Wider- 
spruch; mancher bibelfeste Steuerzahler erinnerte den frommen König an 
jene Sprüche des Alten Testaments, welche die Besteuerung des Brotes 
verbieten. Indeß bemerkte man doch bald, daß ein Theil der Steuer durch 
die Erhöhung der Löhne von den Arbeitern abgewälzt wurde und die 
niederen Stände nicht so schwer darunter litten wie die herrschende Doktrin 
behauptete. Die neue Gewerbesteuer endlich ließ die kleinen, ohne Ge- 
hilfen arbeitenden Handwerker frei, doch sie bewirkte keineswegs, wie der 
ängstliche Ancillon befürchtet hatte, eine übermäßige Vermehrung der kleinen 
Geschäfte. Die Zustände des Kleingewerbs blieben vielmehr in diesen 
stillen Jahren der Entsagung fast unwandelbar, trotz der Gewerbefreiheit, 
trotz der gewaltigen Umwälzungen des politischen Lebens: um das Jahr 
1830 arbeitete fast genau wie im Jahre 1800 ein Schneidermeister für 
etwa 240 Einwohner, ein Schuster für 200, und auf kaum zwei Hand- 
werksmeister kam ein Gehilfe, so daß jeder noch hoffen konnte selber 
Meister zu werden. 
Zum Abschluß der Steuerreform wurden dann noch im Jahre 1822 
einige Stempelabgaben eingeführt, darunter auch ein Zeitungsstempel, der 
freilich in einer Epoche politischer und wirthschaftlicher Ermattung nur 
einen sehr bescheidenen Ertrag bringen konnte. Selbst die Bücher pflegten 
aus der Hand des unglücklichen Besitzers von einem Entleiher zum andern 
zu wandern; vollends die Zeitungen las der gebildete Mann auf dem 
Casino oder in der Conditorei, und wer ein Uebriges thun wollte hielt 
sich ein Blatt mit einem Dutzend Nachbarn gemeinsam. Noch im Jahre 
1835 wurden in ganz Preußen von inländischen Zeitungen und Zeit- 
schriften kaum 43,000 Exemplare verkauft, von nichtpreußischen etwa 3700, 
insgesammt weniger als heutzutage eine einzige große Zeitung abzusetzen 
vermag. 
Diese Dürftigkeit aller Lebensverhältnisse übte auch ihren Einfluß auf 
das neue Münzgesetz, das von Hardenberg als eine unentbehrliche Er- 
gänzung der Finanzreform angesehen wurde und am 5. September 1821, 
namentlich durch Hoffmanns Verdienst, zu Stande kam. Gestützt auf die 
natürliche Macht seines großen Marktgebietes hatte der preußische Thaler 
schon längst weit über die Grenze des Staates hinaus seinen Siegeszug 
durch Deutschland angetreten, obgleich die Ostpreußen im täglichen Ver- 
kehr noch gern nach den gewohnten Gulden und Düttchen rechneten und 
die neuen Provinzen an ihrem alten Gelde mit jener Beharrlichkeit fest- 
hielten, welche sich nirgends zäher zeigt als im Münzwesen. Die Regie-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.