Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Verwicklung im Orient. 193 
griechischen Gemeinde auf Geheiß des Sultans hingerichtet. Das war die 
Antwort der Pforte auf die Empörung der Giaurs. Noch einmal erhob 
er sich in der ungebrochenen Barbarei seiner Glaubenswuth, der alte 
streitbare Jslam. In Galata freilich sangen die römischen Katholiken ein 
Tedeum als der Kirchenfürst der Schismatiker gefallen war, ganz wie 
einst die Genuesen von den Mauern derselben Stadt der Eroberung 
Konstantinopels lachend zugeschaut hatten. Das Abendland aber empfand 
die Unthat wie eine der ganzen Christenheit angethane Schmach. Und 
wie durfte der russische Hof, der sich seit dem Frieden von Kutschuk- 
Kainardsche die Schirmherrschaft über die orientalische Kirche zuschrieb, 
diese Gräuel schweigend ansehen? Die Leiche des Patriarchen wurde von 
den Wellen des Meeres einem russischen Schiffe entgegengetrieben und 
dann in Odessa feierlich beigesetzt; das gläubige Russenvolk verehrte in 
diesem Wunder zerknirscht den Wink der Gottheit und nahm die griechischen 
Flüchtlinge, die bei ihm Schutz suchten, gastlich auf. Auch die Armee ließ 
den Czaren über ihre Gesinnung nicht im Zweifel. Als die Aufständischen 
am Pruth, dicht an der Grenze, ein Gefecht gegen die Türken wagten, da 
waren die russischen Truppen auf dem anderen Ufer kaum zurückzuhalten 
und begrüßten ihre Glaubensgenossen mit donnerndem Hurrah. Sogleich 
nach den blutigen Ostertagen versuchte der russische Gesandte in Konstanti- 
nopel die Vertreter der Großmächte zu einem gemeinsamen Protest zu 
bewegen. Sein Vorschlag scheiterte an dem Widerspruche Lord Strangford's; 
und nunmehr entspann sich eine sehr gereizte Verhandlung zwischen der 
Pforte und dem Petersburger Hofe allein. Die Kriegsgefahr rückte näher; 
wie lange noch konnte Alexander's legitimistische Gesinnung den Todhaß 
des russischen Volkes wider den ungläubigen Bussurman bändigen? Um 
so kräftiger bethätigte Metternich sein Wohlwollen für Oesterreichs treuesten 
Alli#rten. Der Aufstand in Rumänien wurde von den Türken nieder- 
geschlagen, und als YOpsilanti darauf nach Ungarn floh, ließ ihn Kaiser Franz 
auf die Festung Munkacz abführen und jahrelang im Kerker schmachten. 
Die Welt sollte lernen, dies glückliche Oesterreich als das große Zucht- 
haus für alle Demagogen Europas zu fürchten. Doch der Haß war 
stärker als die Furcht. Die Höfe hatten sich den Machtgeboten der Ost- 
mächte gern oder ungern unterworfen; in der öffentlichen Meinung wuchs 
der radicale Zorn, seit der Vorkämpfer der christlichen Legitimität die 
geschworenen Feinde des Christenthums so hartnäckig begünstigte. In Italien 
hatten die Hoffnungen der Liberalen eine klägliche Enttäuschung erfahren, 
beim Anblick des barbarischen Heldenthums der Hellenen richteten sie sich 
wieder fröhlich auf. Der französische Radicalismus erhielt jetzt erst eine 
festere Organisation, seit der junge Dugied aus Neapel heimgekehrt war 
und die Geheimbünde seiner Landsleute nach dem Vorbilde der italienischen 
Carboneria umgestaltete. An die Spitze der hohen Venta der französischen 
Carbonari trat als Ehrenpräsident der unverwüstliche alte Lafayette, 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 13
	        
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