Das Breve über die Misch-Ehen. 415
geführt hatte, erhielt er nicht nur Verzeihung; der König befahl sogar
den Druck der Arbeit und schrieb selber das Vorwort. Was Wunder,
daß er also mit Gnaden und Ehren überschüttet noch selbstgefälliger als
sonst ins Leben blickte. Er vermaß sich die Frage der gemischten Ehen
mit Leichtigkeit zu lösen; hatte ihm doch der Papst feierlich versprochen,
die Wirren am Rhein sollten bald ein Ende nehmen. Im Vertrauen
auf diese Zusage gab er den Rath: Graf Spiegel möge den heiligen
Stuhl um Dispensation bitten, er selber aber wolle im Namen des Königs
dies Gesuch unterstützen und den Papst zu einer Entscheidung bewegen,
welche dem Staatsgesetze den Gehorsam des Clerus sichere. Die Bischöfe
des Westens gingen gern auf diesen Vorschlag ein; sie fühlten sich alle
durch den Gegensatz der weltlichen und der geistlichen Gesetzgebung schwer
bedrängt und hießen es hochwillkommen, wenn der Papst zu einer Aus—
gleichung bewogen wurde, die nach kirchlicher Anschauung nur von Rom
ausgehen konnte.“)
Also ward auf Bunsen's Rath zum ersten male ein gefahrvoller
Weg betreten, den man unter Hardenberg's Regiment noch klug ver—
mieden hatte: die Krone verhandelte mit dem heiligen Stuhle über den
Umfang ihrer Hoheitsrechte, denn am Ende lief der Streit doch darauf
hinaus, ob das Gesetz des Staates gelten solle oder nicht. Auf solchem
Wege ließ sich eine redliche Ausgleichung nimmer erreichen, obwohl die
Curie damals der empfangenen Wohlthaten noch eingedenk und der Krone
Preußen keineswegs feindlich gesinnt war. Die Verhandlungen zogen sich in
die Länge, Papst Leo XII. starb darüber, und erst als der König mit scharfen
Maßregeln gegen die widersetzlichen rheinischen Priester drohte, erließ Leo's
Nachfolger Pius VIII. am 25. März 1830 ein Breve an die Bischöfe
der Kölner Erzdiöcese, das von Bunsen als ein großer Sieg der preu—
ßischen Staatskunst gefeiert wurde und dem hoffnungsvollen Unterhändler
daheim reiche Lobsprüche eintrug. In Wahrheit hatte die Curie in diesem
seltsamen Aktenstücke den ganzen Wortschwall ihrer eintönigen Rhetorik
aufgeboten um über den eigentlichen Streitpunkt wenig oder nichts zu
sagen. Der Papst gewährte zwar den bisher abgeschlossenen gemischten
Ehen seine Verzeihung und gestattete, solche unerlaubte Ehen auch in Zu—
kunft als giltig anzusehen; doch er verbot zugleich den Priestern unbe—
dingt, diese von der Kirche verabscheuten Verbindungen einzusegnen, wenn
nicht genügende Bürgschaften für die katholische Erziehung der Kinder vor—
lägen. Alsdann fügte er — erzählend, nicht befehlend — hinzu: bisher
sei an einigen Orten des Rheinlands, in Jülich-Cleve-Berg, den Pfarrern
gestattet worden, bei der Abschließung gemischter Ehen die sogenannte passive
Assistenz zu leisten. Ob dieser mildere Brauch auch fernerhin gelten, ob
*) Schreiben an Bunsen: von Hommer, 16. Dec. 1827; von Spiegel, 8. Aug.
1828, 8. Juli 1829; von Caspar Max Droste, Bischof von Münster 27. Dec. 1827.