430 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod.
er einst dem wissenschaftlichen Leben seines Staates neue Wege gewiesen,
nun auch noch an der ästhetischen Erziehung der Preußen mitzuhelfen.
Denn darin war er mit Schinkel einig, daß die Kunstschätze des Museums
nicht der gelehrten Forschung dienen, sondern zunächst der überkritischen
hauptstädtischen Welt die harmlose Freude am Schönen erwecken sollten.
Was Preußen in den drängenden Nöthen seiner kriegerischen Geschichte
hatte versäumen müssen, ließ sich freilich nicht mehr ganz nachholen; die
Meisterwerke der Malerei waren fast allesammt längst in festen Händen,
und Bunsen wurde wie ein Schooßkind des Glücks angestaunt, als er
Raphael's Madonna Colonna, die er in Rom für den unerschwinglichen
Preis von 1000 Louisdor erstanden, eigenhändig nach Berlin überbrachte.
Immerhin war dies jüngste der großen europäischen Museen eine unschätz-
bare Bildungsstätte für unseren prosaischen Nordosten; vor der Hoheit
des Geistes, die aus Schinkel's mächtiger Rotunde sprach, verstummte
selbst das Berliner Besserwissen. Auch Meister Rauch schritt vorwärts in
kräftigem Schaffen, neidlos bewundert von seinem alten Lehrer Gottfried
Schadow. Wie viel freier, einfacher, größer als einst jener erste Versuch
Schadow's in Rostock, war Rauch's neues Berliner Blücherdenkmal. Als
das Standbild am Frühmorgen geräuschlos enthüllt wurde, standen nur
drei Zuschauer auf dem weiten Platze: Gneisenau, Hegel und der Meister
selbst. Preußens Heer, Wissenschaft und Kunst huldigten dem Helden des
heiligen Völkerzornes. —
Trotz dieser Menge bedeutender Menschen fehlte der Hauptstadt noch
gänzlich der beste Reiz des großstädtischen Lebens, die weitherzige, alle
Gegensätze umfassende Geselligkeit. Friedrich Wilhelm verstand wohl die
Talente der Kunst und Wissenschaft an der rechten Stelle zu verwenden;
jedoch sie in regem geselligen Verkehre um sich zu versammeln widersprach
seinen anspruchslosen Gewohnheiten. Noch immer freilich boten der Hof
und die Erlebnisse des königlichen Hauses den einzigen Gesprächsstoff, der
allen Ständen gemein war; die Berliner lebten mit ihrem Monarchen, sie
redeten gemüthlich von „unserem Schwiegersohn“ in Petersburg, von
„unserer Alexandrine“ in Schwerin und jubelten aus vollem Herzen als
ihr alter Herr nach seiner Genesung zum ersten male wieder im Theater
erschien. Von Zeit zu Zeit entschloß sich der König auch, der gesammten
Berliner Gesellschaft ein Schauspiel königlicher Pracht zu geben, wobei
Schinkel, Spontini und der Maler W. Hensel ihre ganze Kunst aufbieten
mußten. Zwei dieser Feste, die beiden Märchenspiele „Lalla Rookh“ und
„Die weiße Rose“, erlangten einen europäischen Ruf, und das Fest der
weißen Rose verdiente in der That durch den Pinsel des jungen Adolf
Menzel verherrlicht zu werden, denn es war das letzte großartige und vom
Zauber der Kunst durchleuchtete höfische Spiel der neuen Geschichte, der
letzte Triumph der alten Romantik und der aristokratischen Gesellschaft
der Restauration. In denselben Tagen, da die königlichen Prinzen in