Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Süddeutsche Zollvereinspläne. 39 
Bei solcher Verschiedenheit der politischen Absichten konnte Berstett nach 
langwierigen vertraulichen Berathungen nur einen bescheidenen Erfolg 
erreichen. Am 19. Mai verpflichteten sich die beiden süddeutschen König— 
reiche, Baden, Darmstadt, Nassau und die thüringischen Staaten, noch 
im Laufe des Jahres Bevollmächtigte nach Darmstadt zu senden, welche 
dort auf Grund einer unverbindlichen Punktation über die Bildung eines 
süddeutschen Zollvereins verhandeln sollten. Mehr wollte der vorsichtige 
Zentner, der sein bairisches Zollgesetz behüten mußte, schlechterdings nicht 
versprechen. Immerhin war jetzt doch ein Weg betreten, der aus dem 
Elend der Binnenmauthen vielleicht hinausführen konnte. Die liberale 
Presse begrüßte dankbar die patriotische That ihrer Lieblinge. Der allezeit 
vertrauensvolle List sah das Ideal der deutschen Zolleinheit bereits nahezu 
verwirklicht, und als er bald darauf nach Frankfurt kam, fand er seinen 
Gönner Wangenheim in einem Rausche des Entzückens: so trug das 
reine Deutschland der gesammten Nation doch endlich die Fackel voran!") 
Minder hoffnungsvoll, aber durchaus wohlwollend beurtheilte Bernstorff 
den Entschluß der süddeutschen Höfe. Er versicherte Berstett seiner Zu- 
stimmung; denn gelang es den Mittelstaaten ihr zerrüttetes Verkehrsleben 
aus eigener Kraft zu ordnen, so blieb für die Zukunft eine Verständigung 
mit Preußen möglich. Seinem Könige schrieb er: trotz manchen feind- 
seligen politischen und staatswirthschaftlichen Hintergedanken bestehe für 
Preußen kein Grund das Unternehmen zu mißbilligen, zumal da das Ge- 
lingen noch sehr fraglich scheine) 
Der Versuch, das preußische Zollgesetz durch ein Machtgebot des 
Bundes zu vernichten, war gescheitert. Doch unterdessen führte der Kö- 
thener Herzog seinen Schmuggelkrieg wider die preußischen Mauthen wohl- 
gemuth weiter und hemmte dadurch zugleich die Verhandlungen über die 
Elbschifffahrt. Wie oft hatten einst die Fremden gespottet über die furiosa 
dementia der Deutschen, die sich ihre herrlichen Ströme durch ihre Zölle 
selber versperrten! Erst seit Frankreich das linke Rheinufer an sich riß, 
ward dies sprichwörtliche Leiden Deutschlands etwas gelindert. Im Jahre 
1804 wurde statt der alten drückenden Rheinzölle das Rhein-Octroi ein- 
geführt, das im Wesentlichen nur bestimmt war die Kosten der Strom- 
bauten und der Leinpfade zu decken, und diese neue Ordnung bewährte 
sich so gut, daß der Wiener Congreß sie auch für die anderen conventio- 
nellen Ströme Deutschlands als Regel vorschrieb. Seitdem war die 
Weserschifffahrt in der That frei geworden: nach einem langen Streite 
mit Bremen ließ sich Oldenburg durch die Vermittlung des Bundestags 
bewegen, auf den widerrechtlichen Elsflether Zoll endlich zu verzichten 
(Aug. 1819). Schwieriger lagen die Verhältnisse zwischen den zehn Ufer- 
  
*) List an seine Gattin, Frankfurt, 22. Aug. 1820. 
*““) Bernstorff's Berichte, 29. Jan. 1820ff.
	        
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